CIO Weekly | Die großen Herausforderungen für die nächste Generation

Auf der IWF-Jahrestagung in Marrakesch ging es um eine interessante Frage: Ist jetzt die ganze Welt ein Entwicklungsland – und wie kann das bezahlt werden? Neuberger Berman | 25.10.2023 09:01 Uhr
Ashok Bhatia, Deputy Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman
Ashok Bhatia, Deputy Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman / © e-fundresearch.com / Neuberger Berman

Die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Marrakesch ist vorbei. Zurück an meinem Schreibtisch lasse ich noch einmal die großen Themen Revue passieren, um die es in Marokko ging.

Für Volkswirte ist die Tagung ein wichtiger Termin. Vertreter von Wirtschaft und Institutionen des globalen Südens treffen sich mit Vertretern des globalen Nordens. Die Emerging Markets tauschen sich mit den etablierten Industrieländern aus. Länder mit niedrigem, mittlerem und höherem Einkommen arbeiten gemeinsam an Lösungen für die wichtigen Herausforderungen unserer Zeit.

Marrakesch schien dafür der passende Ort. Die Jahrestagung fand letztmals vor 50 Jahren in Afrika statt, damals in Kenia. Viele der jetzt diskutierten Themen betreffen Afrika in besonderem Maße.

Wer sagt, dass die ganze Welt heute einem Entwicklungsland gleicht, dürfte übertreiben. Immer wieder wurde in Marrakesch aber betont, dass sich auch in den Industrieländern viel ändern muss. Bei den Themen Umwelt, Finanzierung und Sicherheit stehen sie vor ähnlichen Herausforderungen wie die Emerging Markets schon lange. Wir sitzen alle in einem Boot, und die benötigten Ressourcen werden immer knapper.

Nachhaltige Finanzen

Finanzielle Nachhaltigkeit ist auf der Jahrestagung eigentlich immer ein Thema, aber dieses Jahr war sie eindeutig die Nummer 1.

Afrika besteht überwiegend aus Frontiermärkten, darunter einige der ärmsten Länder der Welt. Daher ist das Thema hier stets präsent. Traditionell stabile Staatsanleihenemittenten wie Nigeria, Ghana und Äthiopien kämpften mit neuen Schwierigkeiten. Zurück aus Marrakesch schrieb mein Kollege Rob Drijkoningen über die Folgen anhaltend hoher Zinsen für Emerging-Market-Anleihen.

Erstmals zweifelten die Konferenzteilnehmer aber auch an den Staatsfinanzen der Industrieländer, einschließlich der USA. Das Wort „Krise“ fiel zwar nur selten, aber die Folgen der anhaltend hohen Zinsen für die während der internationalen Finanzkrise und in der Coronazeit gestiegenen Staatsschulden waren stets präsent. Höhere Zinsen, wachsende Haushaltsdefizite und mögliche Konflikte zwischen Geld- und Fiskalpolitik waren wichtige Themen.

Klimawandel

Dennoch hielt sich die Bereitschaft in Grenzen, zu sparen oder die Steuern zu erhöhen.

Ein Grund dafür dürfte die Erkenntnis sein, dass in den nächsten 25 Jahren wohl sehr viel investiert werden muss. Neben den Staatsfinanzen waren Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel die vielleicht wichtigsten Themen der Tagung.

Einmal mehr betrifft dies Afrika mehr als andere. Der Ort der ersten Kriege um Wasser und andere knappe Ressourcen, hier lösten Dürren und hohe Weizenpreise den Arabischen Frühling aus. Afrika könnte zum führenden Förderer seltener Erden werden, die für die weltweite Elektrifizierung benötigt werden. Auch könnte der Kontinent, der selbst nur wenig CO2 ausstößt, die Folgen der hohen Emissionen anderer Länder besonders stark zu spüren bekommen.

Viel wurde darüber gesprochen, wie die Emerging Markets stärker wachsen können, damit die Armut nachlässt, ohne dass dies der Umwelt schadet.

Diskutiert wurde aber nicht nur darüber, wie viel Geld die Industrieländer den Entwicklungsländern für erneuerbare Energien und einen Ausbau des Stromnetzes zur Verfügung stellen können (idealerweise über die Weltbank und andere öffentliche Förderinstitute). Viele Beobachter wiesen darauf hin, dass die reichen Länder durch eine Verbesserung ihrer Energieinfrastruktur die Emissionen weltweit senken und damit Wachstumshindernisse in den ärmeren Ländern beseitigen können.

Verteidigung und Sicherheit

Ausgabenkürzungen wurden aber auch aus anderen Gründen nicht ernsthaft diskutiert, vor allem wegen der unsichereren Weltlage.

In Afrika kennt man das zur Genüge, ist man doch vom kriegsbedingten Rückgang der Getreideexporte aus der Ukraine besonders betroffen. Marrakesch liegt am westlichen Rand einer instabilen Zone in Europas südlicher und östlicher Nachbarschaft. Sie beginnt mit den Ländern des Arabischen Frühlings und den weiter südlich gelegenen Staaten mit einem putschfreudigen Militär. Dann kommen der Nahe Osten – wo die Hamas während der Tagung Israel angriff – und schließlich die Ukraine und Belarus.

Es überrascht nicht, dass Verteidigung, Lebensmittel- und Energiesicherheit sowie der Zugang zu Technologie künftig sehr viel mehr Ressourcen beanspruchen werden.

Wachstum und Produktivität

Klimawandel und Verteidigung sorgen weltweit für wachsende Ausgaben Der Zinsaufwand ist schon jetzt hoch, aber an den Anforderungen an nachhaltiges Wachstum ändert sich nichts. Aus gutem Grund war das IWF-Seminar in Marrakesch mit „Wer soll das alles bezahlen?“ überschrieben.

Wenn weder Ausgabenkürzungen noch Steuererhöhungen eine Alternative sind, könnte man sich vielleicht um eine effizientere Steuereintreibung bemühen – aber auch um besser funktionierende Kapitalmärkte und vor allem um mehr Wachstum und Produktivität. Auch hier schien uns Afrika der richtige Konferenzort zu sein.

Manche Industrieländer und viele Entwicklungsländer könnten noch sehr viel mehr tun, um mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, etwa durch eine bessere Kinderbetreuung. Die meisten Konferenzteilnehmer waren sich aber bewusst, dass auch bei den Themen Migration und Gründungsfinanzierung noch einiges im Argen liegt.

Als Europas Nachbarn in Afrika stehen hier Marokko und andere nordafrikanische Länder besonders im Blickpunkt. Wer an einer Tagung teilnimmt, in der so viel über lokale Kleinunternehmen und Start-ups gesprochen wird, ist beeindruckt von der Innovationskraft und dem Unternehmergeist, der in Afrika für Wachstum sorgt.

Informelle Gespräche

Um all das ging es auch in unseren informellen Gesprächen am Rande der Konferenz.

Ob Kunden, Notenbanken, öffentliche und private Institutionen, lokale Wirtschaftsführer – viele müssen die hartnäckige Inflation und die anhaltend hohen Zinsen noch verarbeiten.

Viele Investoren fragten uns, wie ernst es die USA mit der Energiewende nähmen, da die ESG-Debatte doch sehr kontrovers sei. Ein großes Thema war auch Private Capital: Hier sieht man angesichts der derzeitigen Konjunkturlage eine Chance, zumal Aktien oft hoch bewertet sind. Auch hofft man, mit Private Capital produktivitätssteigernde Innovationen finanzieren zu können. Sie könnten nötig werden, damit die ganze Welt in den nächsten 25 Jahren nachhaltig wächst.

Fassen wir also zusammen: Mehr und mehr scheint man die Unterscheidung zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern für unpassend zu halten, weil eine nachhaltige und sichere Entwicklung für alle Länder gleichermaßen wichtig ist. An der Grenze zwischen Europa und Afrika war die IWF-Jahrestagung das richtige Treffen am richtigen Ort, um sich der Konsequenzen daraus allmählich bewusst zu werden.

Von Ashok Bhatia, Deputy Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman

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