AB | Globaler Ausblick Q3: Nicht jeder Konjunkturabschwung ist eine Katastrophe

Die hohe Inflation und das sich verlangsamende Wachstum werden für die Zentralbanken zum Problem. Sie erhöhen zur Stabilisierung des Geldwertes ihre Leitzinsen, was wiederum den Druck auf das Wirtschaftswachstum verstärkt. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen auch die Markterwartungen an die Inflation. Lesen Sie dazu die Analyse von Eric Winograd, Director of Developed Market Economic Research beim Asset Manager AllianceBernstein (AB): AllianceBernstein | 04.07.2022 12:42 Uhr
Eric Winograd, Director of Developed Market Economic Research bei AllianceBernstein / © AllianceBernstein
Eric Winograd, Director of Developed Market Economic Research bei AllianceBernstein / © AllianceBernstein
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Die globalen Wirtschaftsaussichten haben sich im zweiten Quartal deutlich verschlechtert. Die Inflation hält sich im Westen hartnäckig. Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass eine deutliche Entspannung in Sicht ist. Die Zentralbanker hatten keine andere Wahl, als mit einer aggressiven Straffung der Geldpolitik zu reagieren. Die Fed hat die Zinssätze um 150 Basispunkte (bps) angehoben, die Bank of England um 125 bps und die Europäische Zentralbank (EZB) wird demnächst einen Straffungszyklus einleiten. Zentralbanken von Australien bis Kanada und in den Schwellenländern haben ihre Politik ebenfalls gestrafft, um die Inflation zu bekämpfen. Die Erwartungen bezüglich weiterer Maßnahmen haben ebenfalls zugenommen.

Eine straffere Geldpolitik bedeutet ein langsameres Wachstum. In der Regel sind die Konsequenzen für die Konjunktur sogar früher zu beobachten als die Auswirkungen auf die Inflation. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Finanzmärkte zunehmend besorgt sind, höhere Zinsen könnten zu einer Rezession führen. Denn die Zentralbanken können nicht auf ein langsameres Wachstum reagieren, solange die Inflation nicht nachlässt.

Dieses Ergebnis ist zwar nicht unbedingt sicher, aber die Wahrscheinlichkeit eines deutlich langsameren oder sogar negativen Wachstums ist angesichts der unverändert hohen Inflationsraten in den letzten Monaten erheblich gestiegen. Wir haben sowohl unsere Inflationsprognosen nach oben als auch unsere Wachstumsprognosen nach unten korrigiert und gehen nun davon aus, dass das BIP-Wachstum im Jahr 2023 weltweit und in fast allen großen Volkswirtschaften deutlich unter dem Potenzial liegen wird. Es würde uns nicht überraschen, wenn wir in den kommenden Quartalen in den großen Volkswirtschaften zu verschiedenen Zeitpunkten eine Schrumpfung erleben würden, auch wenn unsere Basisprognose für das Jahr ein leicht positives Wachstum vorsieht. Unabhängig davon, ob sich die Wirtschaft so stark verlangsamt, dass die technische Definition einer Rezession erfüllt wird: Die nächsten Quartale werden sich nicht gut anfühlen. Solange die Teuerung nicht so weit nachlässt, dass die Zentralbanken das Tempo der Zinserhöhungen verlangsamen, erwarten wir keine dauerhafte Entlastung der Finanzmärkte.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Geldpolitik viele der preistreibenden Kräfte nicht kontrollieren kann. So stellen Unterbrechungen der Lieferketten nach wie vor eine Belastung dar, während die Weltwirtschaft damit zu kämpfen hat, sich von den coronabedingten Stillstandphasen zu erholen. Auch die höheren Rohstoffpreise, die sowohl auf Lieferunterbrechungen als auch auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen sind, haben den Inflationsdruck verschärft. Die Zentralbanken können weder die Lieferkette heilen noch den Krieg durch Zinserhöhungen und Bilanzverkürzungen beenden.Alles, was sie tun können, ist, die Nachfrage auf das aktuelle Angebotsniveau zu senken.

Die Kalibrierung dieses Prozesses wird jedoch sehr schwierig sein. Eine zu geringe oder zu langsame Straffung birgt die Gefahr, dass die Inflationserwartungen aus den Fugen geraten. Das könnte eine Ära der ungebremsten Teuerung einläuten. Eine zu starke Straffung hingegen würde eine Rezession und, wenn sich die Angebotsseite schließlich erholt, möglicherweise eine Deflation auslösen. Die Zentralbanken versuchten zu Beginn dieses Zyklus, den Spagat zu schaffen und die Geldpolitik nur schrittweise zu straffen. Sie hofften, dass ein ausgewogener Ansatz die Erwartungen moderat halten und gleichzeitig der Angebotsseite Zeit zur Erholung geben würde, damit die Nachfrage in möglichst geringem Maße zerstört werden muss.

Angesichts der anhaltenden Inflation bewegt sich die Geldpolitik jedoch schnell auf das aggressive Ende des Spektrums zu. Kann ein aggressiverer, frühzeitigerer Zyklus sorgfältig genug kalibriert werden, um das Abwärtsrisiko zu minimieren? Es gibt gute Gründe, skeptisch zu sein. Wir glauben zwar, dass es noch immer einen Pfad zu einer sanften Landung gibt, aber dieser Pfad wird mit jedem Monat hoher Inflation schmaler. Solange sich die Angebotsseite nicht rascher verbessert und für eine gewisse Entlastung bei den Faktoren sorgt, die die Geldpolitik nicht kontrollieren kann, werden die Zentralbanken kaum eine andere Wahl haben, als die Nachfrage weiterhin aggressiv zu drosseln, selbst wenn dies zu negativem Wachstum führt.

In Anbetracht des schwierigen makroökonomischen Umfelds ist es keine Überraschung, dass die Finanzmärkte zu kämpfen haben. In der Tat ist dieses Ringen ein entscheidender Teil der Wiederherstellung des Gleichgewichts der Wirtschaft. Die Geldpolitik wirkt über das Finanzsystem und die Märkte. Höhere Zinssätze, breitere Kreditspreads und niedrigere Aktienkurse tragen alle zu einer Verringerung der Nachfrage bei – und das ist genau das, was die politischen Entscheidungsträger anstreben. Daher erwarten wir nicht, dass die meisten Zentralbanken die Märkte in nächster Zeit stützen werden. Da sich das Wachstum noch weiter verlangsamen wird und die Inflation hoch ist, rechnen wir mit anhaltender Volatilität.

Auch wenn die kurzfristigen Aussichten schwierig sind, ist es wichtig, die Dinge im Kontext zu betrachten. Nicht jeder Konjunkturabschwung ist eine Katastrophe; dies mag angesichts des Gewichts der letzten beiden Abschwünge (COVID-19 und die globale Finanzkrise von 2008) schnell vergessen werden. Ein typischerer Konjunkturabschwung wird wahrscheinlich flacher ausfallen als jene Episoden, zumal die Ausgangsbasis dieses Mal gut ist. Die Haushalte auf der ganzen Welt verfügen nach wie vor über eine solide Finanzlage – die Ersparnisse sind hoch, der Arbeitsmarkt ist stark und das Gesamteinkommen bleibt robust. Dies dürfte zumindest in den nächsten Quartalen eine Verlangsamung der Nachfrage ermöglichen, ohne dass es zu einem Einbruch kommt. Das rasche Tempo dieses Konjunkturzyklus bedeutet auch, dass der Unternehmenssektor offenbar nicht die übermäßige Verschuldung aufgebaut hat, die häufig den Beginn eines Abschwungs kennzeichnet. Auch dies ist eine wichtige Quelle der Widerstandsfähigkeit, die den Schaden in den kommenden Monaten begrenzen dürfte.

Wichtig ist auch, dass die hohe Inflation nicht universell ist. In weiten Teilen Asiens herrscht nicht die gleiche Art von Preisdruck wie anderswo. Während die westlichen Zentralbanken die Geldpolitik straffen, bleibt die Politik in Japan extrem akkommodierend. Die chinesischen Entscheidungsträger lockern sowohl die Steuer- als auch die Geldpolitik, um ihre Wirtschaft auf Kurs zu bringen. Sobald die Inflation im Westen zurückgeht, dürfte die unterstützende Politik in Asien dazu beitragen, die Weltwirtschaft wieder anzukurbeln.

China bleibt ein kritischer Teil des Systems. Eine der größten Herausforderungen der letzten Monate war die Null-COVID-Politik des Landes und die damit einhergehenden Lockdowns. Vor dem Hintergrund der unterbrochenen Lieferketten wäre es ein wichtiger Beitrag zur Normalisierung der Weltwirtschaft, wenn China wieder ans Netz ginge. Die Entwicklung steht noch am Anfang, aber nach mehreren Monaten der Enttäuschung haben sich die chinesischen Wirtschaftsdaten gegen Ende des Quartals erholt. Das deutet darauf hin, dass sich das Wachstumsbild dort verbessert. Unsere Prognosen für das Wirtschaftswachstum liegen weiterhin über dem Marktkonsens. Wir gehen davon aus, dass die chinesischen Entscheidungsträger alles Notwendige tun werden, um ihr offizielles BIP-Wachstumsziel von 5,0 Prozent bis 5,5 Prozent für dieses Jahr zu erreichen.

Alles in allem sind die Aussichten nicht einfach. Die Inflation ist hoch und wird wahrscheinlich vorerst anhalten, auch wenn sich das Wachstum verlangsamt. Die Zentralbanken haben keine gute Wahl: Die Bekämpfung der Inflation verlangsamt das Wachstum, aber die Förderung des Wachstums steigert die Inflation. Im Moment liegt es auf der Hand, die Inflation zu bekämpfen, auch wenn dies ein langsameres Wachstum und eine schlechtere Entwicklung der Finanzmärkte bedeutet. Die wichtigsten Variablen, die es in dieser Phase des Zyklus zu beobachten gilt, sind die Inflation und die Inflationserwartungen. Sobald sich die Inflation abschwächt, wovon wir ausgehen, werden die Zentralbanken, solange die Inflationserwartungen moderat bleiben, in der Lage sein, einen Schwenk zu vollziehen und sich mehr um das Wachstum zu kümmern. Wir gehen davon aus, dass dieser Schwenk das Signal dafür sein wird, dass ein Aufschwung – sowohl wirtschaftlich als auch finanziell – in Sicht ist. In der Zwischenzeit erwarten wir, dass die Volatilität das dominierende Thema an den Finanzmärkten bleiben wird.”

Eric Winograd, Director of Developed Market Economic Research bei AllianceBernstein

Hier geht es zu dem ausführlichen Ausblick für die Weltwirtschaft auf das dritte Quartal sowie zu den Forecasts.

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