Vier Gegenargumente für die Kritiker von nachhaltigem Investieren

Trotz der anhaltenden Expansion von nachhaltigen Anlagekonzepten gibt es vereinzelt auch Kritik. Doch es gibt stichhaltige Gegenargumente. AllianceBernstein | 08.03.2022 16:15 Uhr
Dan Roarty ist Chief Investment Officer für Sustainable Thematic Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein
Dan Roarty ist Chief Investment Officer für Sustainable Thematic Equities bei AllianceBernstein / © e-fundresearch.com / AllianceBernstein
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Nachhaltige Investmentfonds schießen wie Pilze aus dem Boden. Laut Morningstar stieg das weltweit verwaltete Vermögen von Fonds, die ein Nachhaltigkeitsziel verfolgen, bis zum 31. Dezember 2021 auf 2,75 Billionen US-Dollar und damit fast auf das Dreifache des Niveaus vor der Pandemie. Die Anbieter haben sich beeilt, die steigende Nachfrage zu befriedigen und den Abflüssen bei nicht nachhaltigen Fonds entgegenzuwirken. Allein im letzten Quartal 2021 wurden 266 neue nachhaltige Fonds aufgelegt, womit sich die Gesamtzahl auf unglaubliche 5.932 erhöhte.

Das dramatische Wachstum hat eine genauere Betrachtung nach sich gezogen. In jüngsten Artikeln in den Finanzmedien wurde behauptet, ESG-Investitionen seien eine Blase und würden nicht funktionieren. Auch wenn die Anleger mehr Transparenz verdienen und einige Fonds zweifelsohne ihren Ansprüchen nicht gerecht werden, sind viele Behauptungen über nachhaltige Portfolios unserer Meinung nach irreführend. Im Folgenden finden Sie unsere Meinung zu vier gängigen Kritikpunkten.

Behauptung: Alle ESG-Fonds haben ähnliche Zielsetzungen: Das stimmt nicht. In Wirklichkeit gibt es ein breites Spektrum von Ansätzen. Einige versuchen, nur „gute Akteure“ mit positiven sozialen Auswirkungen zu besitzen, während andere „schlechte Akteure“ ins Visier nehmen, um durch aktives Engagement positive Veränderungen zu fördern. Bei einigen werden ESG-Überlegungen mit der alleinigen Absicht integriert, Risiken zu reduzieren, während andere darauf abzielen, attraktive langfristige Wachstumschancen zu nutzen. ESG-Investitionen sind kein einheitlicher Ansatz, und alle Strategien in einen Topf zu werfen ist irreführend.

Behauptung: ESG-Anlagen sind eine Blase: Zwar werden einige nachhaltige (und nicht nachhaltige) Aktien zu überhöhten Bewertungen gehandelt, doch stellen sie eine kleine Minderheit aller ESG-Aktien dar. Innerhalb unseres globalen Anlageuniversums von mehr als 2.000 Aktien, die sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen orientieren, werden derzeit nur 7 % zu Kurs-Gewinn-Verhältnissen (für das nächste Geschäftsjahr) von mehr als dem Fünfzigfachen gehandelt, während 22 % ein einstelliges Kurs-Gewinn-Verhältnis aufweisen. Unabhängig davon, wie man Blasenbewertungen definiert, ist es unserer Meinung nach übertrieben, ESG-Investitionen im Allgemeinen als Blase zu bezeichnen.

Behauptung: Jüngste Unterperformance beweist, dass ESG-Investitionen nicht funktionieren: Anders als bei der ersten Abwärtsbewegung im Jahr 2020 boten die meisten ESG-Strategien während des Rückgangs im Januar 2022 keinen Schutz. Der Median der globalen Fonds in der von Morningstar als nachhaltig definierten Vergleichsgruppe fiel um über 9 % und blieb um etwa 4,5 % hinter der breiteren Benchmark zurück. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Bedenken hinsichtlich der anhaltenden Wirksamkeit von ESG-Anlageinstrumenten unangebracht sind. Die jüngste Unterperformance ist eher auf eine Verschiebung der Erträge bei den Anlagestilen zurückzuführen als auf die Tatsache, dass ESG-Themen in Ungnade gefallen sind. Viele nachhaltige Portfolios sind auf Wachstums- und Qualitätsfaktoren ausgerichtet, die im Januar unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielten. Eine enge Fokussierung auf sehr kurze Zeiträume kann ein irreführendes Bild von der Wirksamkeit eines jeden Investmentansatzes, einschließlich nachhaltiger Strategien, zeichnen.

Behauptung: ESG-Investitionen können keinen echten Wandel in der Welt bewirken: Mehrere kürzlich erschienene Artikel kommen zu dem Schluss, dass ESG-Investitionen scheitern, weil die Kapitalzuweisung an „gute Akteure“ und weg von „schlechten Akteuren“, wie es viele ESG-Strategien tun, die Kapitalkosten nicht ausreichend verändert, um reale Geschäftsentscheidungen zu beeinflussen. Wir stimmen zu, dass die Daten noch nicht aussagefähig sind und räumen ein, dass die Kapitalallokation auf dem sekundären Aktienmarkt bestenfalls eine indirekte Form der Wirkung ist. Aber nicht alle ESG-Strategien sind Auswirkungsstrategien.

Die Einflussnahme durch das Engagement des Managements ist ein effektiver Weg, um etwas zu bewirken. So führte der erfolgreiche Kampf von Engine No. 1 gegen ExxonMobil im Jahr 2021 zur Ernennung von drei neuen klimafreundlichen Direktoren. Von den 100 größten US-Unternehmen gaben 57 % in ihren Stimmrechtsbescheinigungen für 2021 Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen an, gegenüber nur 35 % im Jahr 2020. Und 23 % gaben Ziele für die Vielfalt der Belegschaft an, gegenüber 10 %.

Regulierungsbehörden verstärken Transparenzbemühungen

Sicherlich ist der Boom nachhaltiger Anlagen nicht ohne Risiken. Die Aufsichtsbehörden haben ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass ESG-Anlagen ohne klare Definitionen oder Berichtsstandards schnell gewachsen sind. Das „Grünwaschen“ oder die falsche Darstellung von Anlageprozessen und -zielen gegenüber Kunden ist ein echtes Risiko.

In der Europäischen Union (EU) zielt die neue Taxonomie darauf ab, eine einheitliche, klare Definition dafür zu schaffen, welche Geschäftstätigkeiten und Anlageportfolios als „umweltpolitisch nachhaltig“ gelten. Ähnliche Bemühungen sind in den USA und in Asien im Gange. Es hat einige Kontroversen gegeben; vor Kurzem wurden Fragen über die Einbeziehung einiger Atom- und Gasprojekte als nachhaltige Energiequellen aufgeworfen. Regulierung ist nie perfekt. Wir begrüßen jedoch die Bemühungen um mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten bei nachhaltigen Fonds.

Die Anleger haben erkannt, dass ESG-Fragen für die Unternehmen von finanzieller Bedeutung sind, und signalisieren eine klare Präferenz für Strategien, die sie in irgendeiner Form ausdrücklich berücksichtigen. Der Markt hat uns zu verstehen gegeben, dass es ein Fehler wäre, die Verantwortung für den sozialen Wandel allein den Regierungen zu überlassen, wie es einige Kritiker vorschlagen, und dass damit eine große Chance verpasst würde. Portfolios, die ihre Fähigkeit, ESG-Ziele und Ertragserwartungen zu erfüllen, wirklich unter Beweis stellen können, werden dazu beitragen, die Pessimisten zu widerlegen und das Vertrauen der Anleger zu gewinnen.

Dan Roarty ist Chief Investment Officer für Sustainable Thematic Equities bei AllianceBernstein (AB).

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.

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