Europa-Aktienfondsmanagerin Fornadi: Diese fünf Kriterien zeichnen Inflationsgewinner aus

Comgest | 27.04.2023 13:20 Uhr
Eva Fornadi, Portfoliomanagerin für Europa-Aktien bei Comgest / © e-fundresearch.com / Comgest
Eva Fornadi, Portfoliomanagerin für Europa-Aktien bei Comgest / © e-fundresearch.com / Comgest
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Steigende Zinsen und hohe Inflation: In diesem Umfeld gibt es noch immer kritische Anleger, die europäischen Aktien den Rücken kehren. Dabei gibt es viele europäische Unternehmen, die trotz der schwächelnden Wirtschaft wachsen können. Diese Wachstumstitel zu finden, die trotz schwierigem Makro-Umfeld aus eigener Kraft heraus wachsen, hat sich die internationale Fondsboutique Comgest zur Aufgabe gemacht. Eva Fornadi, Portfoliomanagerin für Europa-Aktien bei Comgest, gibt in Anlehnung an den New Yorker Wissenschaftler Damodaran* Einblick in fünf wesentliche Kriterien, die Inflationsgewinner auszeichnen:

I. Preissetzungsmacht als Schutzschild

Gängige Wirtschaftstheorien lehren uns: „Je knapper und begehrter ein Gut oder eine Leistung ist, desto größer ist die Preissetzungsmacht.“ Preissetzungsmacht bezieht sich auf die Fähigkeit von Unternehmen, höhere Preise bei ihren Kunden durchzusetzen – was in Zeiten hoher Inflationsraten von besonderer Relevanz für die Geschäftsentwicklung ist. Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht sind grundsätzlich einem vergleichsweise geringen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Sie haben bereits einen so hohen Etablierungsgrad erreicht, so dass sie bei einer Preiserhöhung nicht direkt Kunden an die Konkurrenz verlieren. Damit steigen auch die Aussichten, nachhaltige Gewinne zu erzielen und Wirtschaftskrisen zu überstehen. Preissetzungsmacht spiegelt sich oft in den Wettbewerbsvorteilen wider – etwa in der Marktstruktur, im geistigen Eigentum, in einer starken Marke, in großen Investitionen zu Forschung und Entwicklung oder durch einzigartige Produkte und Dienstleistungen.

Ein Beispiel für ein Unternehmen mit Preissetzungsmacht ist Linde, Weltmarktführer für Industriegase. Energie ist für Linde die größte Kostenposition. Durch langfristige Kunden- bzw. Partner-Verträge von 15 bis 20 Jahren ist Linde in der Lage, steigende Kosten weiterzugeben. Ein weiteres Beispiel ist der globale Luxuskonzern LVMH. Einige seiner Mode-Marken konnten im Sommer 2021 die Preise teilweise erheblich erhöhen – beispielsweise schwankten sie in der Sparte „Mode und Lederwaren“ im ersten Quartal 2021 zwischen vier und sieben Prozent.

Umgekehrt gibt es unserer Erfahrung nach bestimmte Branchen, in denen Preissetzungsmacht unmöglich bzw. sehr schwierig ist – z.B. bei Banken in Europa. Diese leiden zudem häufig noch unter hohen Verlustabschreibungen und sind nicht in der Lage, regelmäßiges, vorhersehbares Gewinnwachstum zu liefern. Banken werden daher von unseren Portfolios ausgeklammert.

II. Hohe Gewinnmargen schaffen Spielraum

Der zweite Punkt sind Gewinnmargen. Unternehmen mit hohen Gewinnmargen gelten aufgrund ihrer finanziellen Stabilität und Flexibilität als besser vor inflationsbedingten Kostensteigerungen geschützt. Wer in der Lage ist, höhere Aufschläge auf die eigenen Kosten am Markt durchzusetzen, ist gegenüber seinen Mitbewerbern klar im Vorteil. Denn wenn die Preise für Rohstoffe, Energie, Arbeitskräfte und andere Betriebskosten steigen, können Unternehmen mit höheren Gewinnmargen diese Anpassungen leichter verkraften. Ebenso: Je höher die Gewinnmarge ist, desto weniger Preisanpassungen sind erforderlich. Auch Wachstumsinvestitionen, die wichtig für das Fortbestehen des Unternehmens sind, müssen nicht eingestellt werden. Unternehmen mit niedrigeren Gewinnmargen haben hingegen weniger Spielraum und können bei Kostensteigerungen schnell in Schwierigkeiten geraten. Die 30 bis 35 Unternehmen im Europa-Portfolio von Comgest haben im Durchschnitt höhere Bruttomargen und sind so besser vor Kostendruck gefeit.

III. Vorsicht bei Fremdkapitalkosten

Ein weiteres Kriterium bilden die Fremdkapitalkosten, die auch als „Steuerrad“ für eine gute Kapitalstruktur bei einem Unternehmen gesehen werden können. Aufgrund der niedrigen Zinssätze war es in der Vergangenheit attraktiv, umfangreiche Fremdmittel aufzunehmen. Deshalb bestand die optimale Kapitalstruktur aus möglichst viel Fremdkapital in Kombination mit minimalem Eigenkapital und Nettobarmitteln. Der Einsatz von billigem Fremdkapital zur Unternehmensfinanzierung hatte jedoch einen hohen Verschuldungsgrad auf den Märkten zur Folge. Bei unseren Wachstumsstrategien liegt das Verhältnis der Nettoverschuldung zum EBITDA im Durchschnitt bei der Hälfte des Verhältnisses der Vergleichsindizes. Dementsprechend können die Qualitätswachstumsunternehmen in unseren Europa-Portfolios problemlos Wachstumsinvestitionen tätigen, da ihre Verschuldung in absoluten Zahlen und im Verhältnis zu ihren Cashflows niedrig ist.

IV. Wachstumskapital sichert Zukunft

Neben erhöhten Zinsaufwendungen ist der Zugang zu Wachstumskapital ein entscheidender Erfolgsfaktor. Denn selbstfinanzierte oder weniger kapitalintensive Geschäftsmodelle sind tendenziell weniger anfällig für schlechtere finanzielle Bedingungen. Vor diesem Hintergrund investieren wir nicht in risiko-behaftete Unternehmen, sondern in resiliente Firmen, die sich bereits in einer „etablierten“ Marktphase befinden, in der nachhaltiges und selbstfinanziertes Wachstum ermöglicht wird. Demnach selektieren wir Unternehmen mit höheren Free-Cashflow-Margen, die erfahrungsgemäß potenzielle Turbulenzen auf den Refinanzierungsmärkten besser überstehen.

Ein Beispiel für eine effektive Wachstumsstrategie ist eine Unternehmensübernahme, etwa um neue Kunden zu gewinnen oder in neue Regionen zu expandieren. So hat etwa LVMH, weltweiter Branchenführer der Luxusgüterindustrie und langjährige Position in unserer Strategie, im Jahr 2017 Dior übernommen, um sein Produkt-Portfolio zu erweitern und neue Märkte zu erschließen. Diese Initiative hat maßgeblich zum Umsatzwachstum des Konzerns beigetragen.

Dem Schweizer Unternehmen Straumann, führend im Bereich der Zahnimplantate, gelang die erfolgreiche Marktpositionierung als spezialisierter Anbieter für hochwertige Premium-Zahnimplantate und die Ausweitung dieser Nische durch gezielte Akquisitionen – etwa durch die Übernahme eines brasilianischen Unternehmens, das auf Discount-Implantate spezialisiert ist, und eines Herstellers von transparenten Zahnspangen, ClearCorrect.

V. Worst Case mitbedenken

Zu guter Letzt: Mit der hohen Inflation verschärft sich die Unsicherheit auf Anlegerseite, gleichzeitig steigen die Zinsen am Kapitalmarkt, was verheerende Auswirkungen auf junge beziehungsweise unrentable Unternehmen haben kann, zumal diese überproportional vom Niedrigzinsumfeld profitieren. Im Worst-Case-Szenario droht Unternehmen der Totalausfall. Daher setzen wir mit unseren Strategien bewusst auf ausgewählte Qualitätsunternehmen mit hoher Rentabilität, starken Cashflows und soliden Bilanzen, die ein starkes Fundament für eine langfristige Performance bilden – sowohl in Wachstums- als auch Krisenzeiten.

Von Eva Fornadi, Portfoliomanagerin für Europa-Aktien bei Comgest

*Aus „Inflation: The Disparate Effects on Company Values“ von Professor A. Damodaran, auf das vorliegende Beispiel angewandt, Mai 2022.

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