Gröschls Mittwochskommentar: 08/2023

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 22.02.2023 10:55 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto
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Da sind wir wieder und auch diese Woche dreht sich wieder alles um Zentralbankentscheidungen, Erwartungen der selbigen und überhaupt rund herum um´s Zinsniveau und um die Terminalrate, also den Zinssatz wo´s dann nicht mehr nach oben geht, bevor´s endlich wieder runter geht. Weil wir, wie der sprichwörtliche Pawlow´sche Hund in den letzten 15 Jahren gelernt haben, dass es gut für eigentlich alle Märkte ist, wenn die Zinsen fallen, damit wir mit billigem Geld dann mehr Aktien kaufen können. Nun stimmt das natürlich im Prinzip, aber möglicherweise sitzen wir einem Begründungsirrtum auf (right for the wrong reason ;-)). Was durch die vielen Geldgeschenke entstanden ist, ist auf allen Ebenen eine Verschiebung der Realität hin zu denen, die es in einem Umfeld höherer Zinsen, wo´s darwinistischer zugegangen wäre, weil Risiken fair gepreist worden wären, nicht geschafft hätten.

Diverse Einhörner, Tokens und so weiter waren da nur eine Ausprägung, wo die Bereinigung in nicht ganz werthaltige und solche, die tatsächlich Potential haben dereinst was zu werden, ja schon stattfindet bzw. stattgefunden hat. Dem breiten Markt steht das mit den nächsten Finanzierungsrunden wohl noch bevor, wobei - und das ist möglicherweise der Unterschied zu früheren Zyklen (This time it´s different und so ;-)) – sich die Angelegenheit als extrem widerstandsfähig darstellt. Insbesondere der Arbeitsmarkt ist sozusagen multi-faktoral anders als wir das zB. in den 1970er Jahren gesehen haben. Die Boomer, die sich langsam, aber sicher aus dem Erwerbsleben zurückziehen, und die – das gilt vor allem für Europa – durch Covid veränderten Arbeitsmigrationsströme haben da sicher einen wesentlichen Anteil. Aber die ganze Geschichte dürfte sich tatsächlich, wie meistens, ein bisserl komplexer darstellen und noch Anlass für die eine oder andere Dissertation künftiger Generationen sein.

Apropos: Der (einzige?! ;-)) große sozialistische österreichische Kanzler der Nachkriegszeit, Bruno Kreisky, hat einmal in Richtung eines Journalisten gemeint: Lernen´s ein bisserl Geschichte! Damit hat er natürlich fraglos recht gehabt! :-) Wenn er heute noch aktiv wäre und vielleicht eher FED-Präsident und nicht Kandesbunzler wäre, würde – wenn man noch allgemeine Ratschläge geben dürfte ohne sich sofort des Knowlege Shamings schuldig zu machen – er wahrscheinlich laut in die Runde rufen: Lernen´s ein bisserl Volkswirtschaft! Hier scheint aufgrund der Außerkraftsetzung der natürlichen Funktionszusammenhänge seit der GFC durch die Zentralbanken viel Wissen, weil´s weder anwendbar war noch irgendwen interessiert hat, verloren gegangen zu sein.

Genauso wie wir wieder lernen mussten, dass auch marginale Verschiebungen beim kalkulatorischen risikolosen Zinssatz (ja, ja auch das Konzept hat so seine Schwächen *lol*) in den diversen DCF-Modellen mittelfristig große Auswirkungen haben und sich dadurch die Bewertungen insbesondere von nicht ganz günstig bewerteten Unternehmen (long Duration Assets) signifikant verändern können, gibt es da noch ein paar andere Dinge, die sich als eher unumstößlich darstellen. Eines der größten Fragezeichen in diesem Zusammenhang ist einmal mehr der Arbeitsmarkt. Haben wir doch in der Schule gelernt, dass Arbeitsmarktdaten der nachlaufende Indikator schlechthin sind.

Dass die allgemeine Arbeitslosigkeit sehr niedrig ist, die Unternehmen weiterhin vielerorts Personal suchen und wir die Absage diverser Rezessionen im Wesentlichen darauf begründen, ist fraglos gut und richtig. Aber was, wenn die Zentralbanken, zB. weil sich die Zinskurve nicht anpasst, verpassen rechtzeitig die Bremse zu ziehen? – Dont´t get me wrong, noch ist´s meiner Ansicht nach nicht so weit, aber wenn wir´s an den Arbeitsmarktdaten sehen, dann schreiben wir den 32. Dezember und es ist längst zu spät. Ob uns dann radikale Zinssenkungen kurzfristig helfen können, darf auch bezweifelt werden, weil sich Markt und Ökonomie mittelfristig wieder annähern werden. Damage Done und so.. :-)

Ein Thema – bevor we go – scheint mir auch ein bisserl unterrepräsentiert, weil wir zwar alle gern Geld verdienen, aber wenn´s moralisch nicht ganz diskutierbar ist, über die Hintergründe eher lieber schweigen. Wie ist das mit den positiven Effekten des Ukraine Kriegs auf die US-amerikanische und europäische Schwer-, Waffen und produzierende Tech-Industrie? Kann ja eigentlich nicht ganz schlecht für die Wertschöpfung sein, wenn ich mein bis vor zwölf Monaten echt wirklich böses Produkt nun mit dem Segen auch sämtlicher grüner, roter etc. Regierungen unter Ausnutzung sämtlicher Kapazitäten herstellen und zu Rekord-Margen verkaufen kann, weil ein guter Teil eine äußerst geringe Lebenserwartung hat, also ständig nachproduziert werden muss, und ich auch noch längerfristig einer sehr lukrativen Zukunft entgegensehe, weil alle nicht verbrauchten Altbestände erneuert werden müssen.

Hab da so meine Bedenken, ob das alles mit den herkömmlichen (Green)WashingMaschinen sauber werden wird…. :-)

Have a good one!

Florian

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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