Ratings nicht überbewerten

Institutionelle Anleger nützen sie nur selten. Trotzdem entfällt ein Großteil des Fonds-Absatzes auf Produkte mit Top-Ratings der einschlägigen Agenturen. Gütesiegel mit Prognosequalität oder Mogelpackung? Der letzte Teil unserer dreiteiligen Serie über Ratings… Funds | 08.09.2004 10:54 Uhr
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Zielgruppen der Ratings: Fondsverkäufer und Retailkunden

Bei mehr als 7.000 in Deutschland und Österreich zugelassenen Investmentfonds ist es nur natürlich, nach Kriterien zu suchen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Zielgruppe der Ratings sind vor allem Vermögensberater und Fondsverkäufer aus verschiedenen Vertriebskanälen. Ein Rating ist dabei ein Auswahlkriterium, um eine Anlageempfehlung auszusprechen. Auf der anderen Seite haben aber auch die Marketingstrategen der Fondsgesellschaften Ratings schnell als Gütesiegel für sich entdeckt. Wie im Supermarkt - wo mit Qualitätsurteilen á la Stiftung Warentest für Produkte geworben wird - soll mit einem Top-Rating dem Kunden suggeriert werden, einen Topfonds zu kaufen.

Unterschiede im Käuferverhalten zwischen Europa und USA

Um die enorme Bedeutung von Ratings aufzuzeigen, hilft ein Blick in die USA: Dort gehen bereits 98 Prozent der Nettomittelzuflüsse in Fonds mit einen Rating im oberen Drittel, so eine Studie von Cerulli Associates. Um im Vertrieb überhaupt noch eine Chance zu haben, muss der Fonds dort über eine möglichst hohe Bewertung verfügen. Neue Produkte, die für ein nachhaltiges Rating noch nicht lange genug am Markt sind, müssen erst eine Bewährungszeit mit geringen Mittelzuflüssen abwarten, um sich mit guten Bewertungen für höhere Zuflüsse zu qualifizieren.

In Europa ist die Situation (noch) anders. In Deutschland etwa gingen laut selbiger Studie erst 60 Prozent der Nettomittelzuflüsse in Fonds mit einem Top-Rating. In Spanien, Frankreich oder Italien liegt dieser Prozentsatz sogar unter 40 Prozent. Dagegen kauften Anleger hierzulande verstärkt neue Produkte, die noch auf ein Qualitätsurteil der Ratinganbieter verzichten mussten. Die Fondsflut der vergangenen Jahre - die erst zum heutigen Fondsdschungel führte - ist somit auch auf das Kaufverhalten der Anleger selbst zurückzuführen. Dies führte etwa in Deutschland dazu, dass es im Verhältnis zum Gesamtvermögen der Bürger eine sehr hohe Anzahl von Fonds gibt.

Inhalt statt Verpackung zählt

Die Bedeutung von Ratings für den Absatz von Fonds war somit in Deutschland bislang zu vernachlässigen. Erst heute - in Zeiten konsolidierender Produktpaletten der Fondsanbieter  aufgrund stagnierender Mittelzuflüsse - gewinnt das Rating ein höheres Gewicht. Doch der Anleger sollte aufpassen, dass er nicht wieder nur auf die Verpackung anstatt auf den Inhalt schaut.

Die wenigsten Berater werden ihren Kunden erklärt haben, was der Unterschied zwischen einem Ranking (rein vergangenheitsbezogene Beurteilungen ohne Prognosequalität) und einem Rating (beinhaltet auch qualitative Kriterien und versucht dadurch Prognosequalität zu erreichen) ist. Statt dem „Neu aufgelegt“ ist es nun der Morningstar-Stern oder das AAA von S&P, das als Verkaufsargument eingesetzt wird. Beides ist falsch und führt zu Depots, die nicht den Zielen, dem Anlagehorizont oder dem Risikoprofil des Anlegers entsprechen.

Jedes Rating hat seine Grenzen

Eines ist in dieser Serie ganz deutlich geworden: Jedes Rating hat seine Grenzen. Ein Rating oder Ranking ist nur immer eine Betrachtung der Vergangenheitsperformance ohne Garantie für eine vergleichbare Entwicklung in der Zukunft – egal ob der Ratinganbieter für seine Bewertungen Prognosecharakter beansprucht oder nicht. Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Bewertungsansätze der verschiedenen Anbieter – von einheitlichen Standards ist der Markt bis heute wird entfernt. Entsprechende Initiativen der Ratinganbieter zur Vereinheitlichung der Kategorien sind mehr als begrüßenswert, da teilweise schon etwas spät.

Orientierung im Ratingdschungel

Ein Beleg dafür sind die unterschiedlichen Kategorien der einzelnen Anbieter, die zu einer inhomogenen Zusammensetzung der Vergleichsgruppen und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies führt zu der absurden Situation, dass Berater und Anleger heute nicht mehr nur vor einem Fondsdschungel sondern auch vor einem Ratingdschungel mit nicht weniger als elf Anbietern unter den führenden Ratinghäusern stehen: Standard & Poors, Feri Trust, Financial Webworks, Fonds Consult, Fitch Ratings, Lipper, Moody’s, Morningstar, RCP, Sauren und Südprojekt.

Hier setzt der BVI mit seiner Initiative an, einheitliche Standards für ein Rating von Fonds einzuführen. Der Verstoß des BVI ist richtig und sinnvoll, um bei den stark verunsicherten Anlegern verlorenes Vertrauen für die Mitgliedsgesellschaften zurückzugewinnen.

Dabei sollte nicht auf die Frage vergessen werden, wer Ratings überhaupt finanziert. Denn solange Anleger für unabhängige Ratings nicht in die Tasche greifen wollen, werden die Fondsanbieter weiterhin für ihre Ratings selbst bezahlen müssen. Um diese Kosten zu rechtfertigen scheint es also nur verständlich, diese als Gütesiegel im Vertrieb stark zu forcieren.

Von den institutionellen Anlegern lernen

Ein gewichtiges Argument gegen Ratings ist aber das Verhalten der institutionellen Anleger, die offenbar bei der Fondsauswahl auf die Urteile der einschlägigen Anbieter verzichten. Hier kommen individuelle Auswahltools zum Einsatz, die auf die jeweiligen Anlageziele zugeschnitten und somit besser einsetzbar sind als allgemeine und standardisierte Bewertungen. Es gibt sogar Dachfondsmanager, die einen antizyklischen Rating-Ansatz verfolgen, also nur Fonds mit unterdurchschnittlichem Rating kaufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diejenigen Fonds mit einer zuletzt schlechteren Performance bald besser laufen, sei größer als dass die ausgezeichneten weiter ausgezeichnet abschneiden.

Viele Retailkunden sollten von den institutionellen Anlegern lernen. Nicht das Rating selbst sollte das erste Auswahlkriterium eines Fonds sein, sondern das kleine Anlageeinmaleins aus persönlichen Zielen, Zeithorizont und individuellem Risikoprofil. Dieser erste Filter schränkt die in Frage kommenden Fonds bereits erheblich ein. Erst dann kann ein Blick auf die einschlägigen Ratinglisten sinnvoll sein, wobei hier die notwendige Skepsis durchaus angebracht erscheint.

Individuelle Anlagestrategie regelmäßig prüfen

Darüber hinaus sollte das Monitoring fester Bestandteil jeder Anlagestrategie sein. Hierbei wird nicht nur ein individueller Soll-Ist-Vergleich der eigenen Anlageziele durchgeführt, sondern auch der gekaufte Fonds einem Check unterworfen. Geprüft wird beispielsweise, ob sich der Managementansatz aufgrund eines Fondsmanagerwechsels verändert hat. Um an diese Informationen zu kommen, ist der Berater gefordert, der sich mit den von ihm verkauften Produkten nicht nur oberflächlich beschäftigen darf. Da dies einen gewissen Zeitaufwand mit sich bringt, hat dieses Modell natürliche Grenzen. Die Lücke könnten unabhängige Consultants füllen, wie sie beispielsweise auch im institutionellen Fondsgeschäft zum Einsatz kommen. Diese können durchaus auf die Datenbasis der Ratinganbieter zurückgreifen, müssen aber zu einer individuellen Anlageempfehlung gemäß dem Profil ihres Auftraggebers kommen.

Fazit

Der Anleger sollte ein Rating nicht überbewerten, da es sich um eine standardisierte Bewertung handelt, die den persönlichen Zielen nicht gerecht wird. Wichtiger als ein Rating ist eine individuelle Beratung. Hier spielt die persönliche Asset Allocation eine wichtige Rolle, allerdings muss sie genau wie der einzelne Fonds einer kontinuierlichen Überprüfung unterworfen sein. 

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
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