e-fundresearch: Sie orientieren sich in Ihrer Strategie an Themen. Was heißt das für Sie?
Shant: Obwohl die Welt täglich in Bewegung ist, zeigen sich bei der langfristigen Betrachtung ganz deutlich Themen und Trends. Und wenn man diese versteht und ausnutzt, kann man Investment-Gelegenheiten finden, die für viele Jahre erfolgreich sind und die von diesen Themen profitieren. Die Idee ist: Statt sich an einem einzelnen Sektor zu konzentrieren, schauen wir auf ein globales Thema. Bei europäischen Fonds schauen wir entsprechend auf regionale Themen und versuchen, diese bei unseren Investment-Ideen und der Aktienauswahl auszunutzen.
e-fundresearch: Zum Beispiel?
Shant: Denken Sie zum Beispiel an die alternde Bevölkerung. Es ist eine ganz einfache, beobachtbare und sehr folgenreiche Tatsache, dass die Bevölkerung in Europa und auch der übrigen entwickelten Welt immer älter wird. Der Unterschied zwischen einem solchen Thema und einem einzelnen Sektor ist, dass ein Thema quer durch viele Sektoren geht. Das Thema Alterung kann etwa zum Bereich Sparkassen führen: Wenn die Leute älter werden, wollen sie für ihr Alter und die Rente sparen. Das Thema bringt einen auch auf Aspekte im Gesundheitssektor. Wenn alle älter werden, brauchen wir mehr Medikamente, mehr medizinische Betreuung und mehr Altenheime. – Aber das Thema zeigt uns auch Risiken. Wenn Lebensversicherungen mit der Annahme berechnet werden, dass die Leute heute genauso alt werden wie früher, und tatsächlich werden wir alle deutlich länger leben, birgt das viele Risiken für bestimmte Arten von Finanzdienstleistern. Die Idee ist es also, ein ganz einfaches aber wirkungsvolles Langfrist-Thema zu nehmen und die Folgen zu durchdenken, die viele verschiedene Sektoren betreffen und die einige sehr interessante Investment-Möglichkeiten aufzeigen. Außerdem ergeben sich dabei Anhaltspunkte, welche Bereiche des Aktienmarktes unter einem Thema leiden könnten.
e-fundresearch: Sie investieren vor allem in Blue Chips. Das ist in Europa ein Bereich, der täglich und gründlich analysiert wird. Wie finden Sie da noch interessante Aktien und wie passen Sie diese in die großen Themen ein?
Shant: Wenn man anhand von Themen vorgeht, bekommt man viel mehr Einblick in die Märkte und in langfristige Entwicklungen. Ein großer Teil der Analysen haben sehr kurzfristige Grundlagen. Analysten wollen, dass man kauft oder verkauft, um so Provisionen für ihre Firma zu generieren. Bei Mellon/Newton arbeiten wir mit Langfrist-Themen. Wir haben ein engagiertes Analystenteam für den Aktienkauf, dessen einziges Interesse es ist, starke Investment-Ideen zu entwickeln, von denen unsere Kunden profitieren. Und das nicht durch Portfolio-Umschichtungen Provisionen bekommen will – was die Hauptmotivation von Analysten auf der Verkaufsseite ist. Wir machen viel Research im Hause, die Fondsmanager besuchen die Unternehmen regelmäßig. Und unser thematischer Rahmen gibt uns einen Anhaltspunkt, welche Teile des Marktes die attraktivsten Investment-Möglichkeiten bieten und welche Bereiche vielleicht ein Investment-Risiko beinhalten.
e-fundresearch: Wie würden Sie Ihren Ansatz zwischen Growth- und Value-Stil einordnen?
Shant: Ich würde sagen, dass die Unterscheidung von Growth- und Value-Stil völliger Unsinn ist. Das ist eine Fiktion, die ihren Weg in den Investment-Wortschatz gefunden hat. Aber sie ist völlig bedeutungslos. Wenn schon, würde ich unseren Ansatz als "Wachstum zu vernünftigen Preisen" bezeichnen. Denn das beinhaltet Investment-Ideen aus dem Growth- und dem Value-Bereich. Alle Untersuchungen zeigen, dass immer eine Zeitlang der Growth- oder der Value-Stil bessere Ergebnisse bringt. Aber fragen Growth-Investoren wirklich ihre Kunden, ob sie bereit sind, wegen ihres dogmatische Stiles jahrelange Underperformance hinzunehmen? Oder umgekehrt Value Investoren? Wenn ich mir eine einzelne Aktienidee anschaue, finde ich es schwierig zu wissen, ob eine Aktie nun ein Growth- oder ein Valuetitel ist.
e-fundresearch: Wenn man sich die europäischen Aktienmärkte anschaut, waren die letzten Monate und Jahre wirklich nicht besonders amüsant. Was erwarten sie für das nächste Jahr?
Shant: Wenn man annimmt, dass die europäischen Märkte Ende Juli ihren Boden gesehen haben – sicher, niemand weiß genau, ob das das niedrigste Niveau war, aber wenn man diesen Tiefpunkt annimmt, erleben wir den schlimmsten Bärenmarkt seit einer Generation, viel schlimmer als 1972/74, den schlimmsten seit dem zweiten Weltkrieg. Ich würde aber sagen: Das ist nicht die Zeit anzunehmen, es gebe keine Zukunft für Aktien. Es ist nicht die Zeit, düsterer als je zuvor in die Zukunft zu schauen. Aber die wichtigen Lektionen der letzten fünf, zehn Jahre sind: Lass dich nicht mitreißen. Beim Investieren geht es nicht um magische Gewinne. Investieren bedeutet eine langsame, aber stetige Ansammlung von Kapital. Wer erwartet, 20 Prozent im Jahr zu bekommen, sollte sich an Spielcasinos halten, nicht den Aktienmarkt.