Dezentrale Entscheidungen sind besser

Nassim Taleb, bekannter Autor des Bestsellers "The Black Swan" präsentierte als Gastredner beim FONDS professsionell KONGRESS 2013 in Mannheim interessante Thesen zur Verbesserung von Entscheidungen in der Finanzwelt und Politik. Er formulierte drei zentrale Prinzipien und forderte eine verstärkte Haftung und Verantwortung der Entscheidungsträger. Markets | 04.02.2013 01:30 Uhr
Nassim Taleb,  Autor des Bestsellers "The Black Swan"
Nassim Taleb, Autor des Bestsellers "The Black Swan"
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Taleb beschreibt in seinen Publikationen fragile Systeme, stabile Systeme und die Auswirkungen, wenn höchst unwahrscheinliche Ereignisse eintreten. Mit Bezug auf die aktuelle Kapitalmarktsituation und mit Bezug auf politische und regulatorische Entwicklungen hatte Taleb einige interessante Anmerkungen zu machen.



"Interventionitis" am Kapitalmarkt ist negativ

Alan Greenspan, früherer Chairman of the Board of Governors of the Federal Reserve war davon überzeugt, dass es möglich wäre, durch die künstliche Intervention der Notenbank die Konjunkturschwankungen deutlich zu reduzieren. Taleb betont jedoch, Eingriffe solcher Art zur Schwächung des Systems führen. Künstliche Eingriffe führen zu Ungleichgewichten und verschlechtern die Qualität der Entscheidungen der Marktakteure und reduzieren die Lernfähigkeit des Systems an sich.

Durch Fehler besser werden

Taleb: "Die Luftfahrtindustrie ist ein gutes Beispiel. Mit jedem Crash wird die Luftfahrtindustrie besser, weil jeder Fehler bis ins kleinste Detail analysiert wird und eine mehrmalige Wiederholung eines Fehlers auf jeden Fall verhindert werden soll. Im Bankenbereich ist das nicht in dieser Form erkennbar."

Politik durch pluralistische Entscheidungsstrukturen besser

Auch in der Politik sieht Taleb Anzeichen dafür, dass eine Verbreiterung der Entscheidungsebene besser ist als die Zentralisierung der Entscheidungen. Taleb: "Manchmal erscheinen Systeme etwas chaotisch, doch sie funktionieren. Italien hatte in den letzten Jahrzehnten rund 60 Regierungen, die immer wieder über Verhandlungen und Abstimmungen geformt wurden und auch zerbrachen. Aber im Grossen und Ganzen funktionierte Italien trotzdem." Ähnlich wäre es im Strassenverkehr in Rom oder Neapel. Eine große Anzahl kleinerer Entscheidungen ist nach Einschätzung von Taleb besser als wenige schwerwiegende Entscheidungen, da das Risiko eines Fehlers bzw. einer großen Fehlentscheidung überproportional steigt.

Prognosen sind schwierig

Wetterprognosen sind heute relativ gut. In der Wirtschaft sind Prognosen viel schwieriger, da das Wirtschaftssystem sehr dynamisch ist. Die beste Prognose ist für Taleb die Gegenwart abzüglich der fragilen Elemente von heute.

Verluste und fragile Systeme

Das Problem bei Auszahlungsprofilen von Finanzprodukten besteht dann, wenn beispielsweise die Verluste überproportional steigen. Dies trete zumeist dann auf, wenn Zahlungsströme so gestaltet sind, dass in normalen Kapitalmarktphasen regelmässig kleine Gewinne erzielt werden und in bestimmten Marktphasen dann unerwartet hohe Verluste auftreten können (short options payoff).

Erfolg von mittelständischen Unternehmen

Taleb: "Die mittelständische Industrie in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Sie ist auch ein Indiz dafür, dass Entscheidungen in kleineren Einheiten besser getroffen werden können. Drei Projekte über EUR 10 Mio. sind weniger gefährdet hinsichtlich der Überschreitung der geplanten Konsten als ein Projekt über EUR 30 Mio. Dies begünstigt kleinere und mittlere Unternehmen und macht diese auch effizienter.

Eigenkapital vs. Fremdkapital

Finanzkrise im Jahr 2000 war deutlich anders als im Jahr 2008, da damals der Aktien- und Eigenkapitalbereich betroffen war und nicht so sehr Schulden und Fremdkapital. Im Jahr 2008 und danach waren Hypotheken, Fremdkapital und in weiterer Folge auch Staatsschulden das Problem. Taleb: "Schulden an der Spitze eines Staates oder einer Institution sind nicht gut. Je weiter oben der Schuldenberg angesiedelt ist, desto geringer ist der Bezug der Gläubiger zu den Schulden. Entscheidungen, die diese Schulden betreffen, werden dann sehr oft von Bürokraten getroffen, die keinen direkten Bezug zu diesen Schulden haben - sozusagen nicht mit der eigenen Haut dabei sind - was im Englischen 'skin in the game' bezeichnet wird." Dabei meint Taleb auch, dass beispielsweise Bürgermeister einer Kleinstadt durch den engeren Kontakt mit der Bevölkerung viel eher von den Mitbürgern in die Verantwortung genommen werden können als abgehobene Bürokraten, die in anonymisierten Institutionen und Ministerien arbeiten.

Architekt unter der Brücke

Taleb spricht im Zusammenhang mit der "skin in the game" Analogie die Verantwortung des Entscheidungsträgers im Finanz- oder Politikbereich an. Er kritisiert, dass heutzutage die Verantwortung sehr selten wahrgenommen wird und Entscheidungsträger, denen grobe Fehlentscheidungen nachgewiesen werden können, sehr oft nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden (können). Taleb: "Wenn Banken große Verluste schreiben, ist es nicht so, dass das Management aus den in den Vorjahren kassierten Bonuszahlungen eine Rücküberweisung tätigen würden. Es ist auch nicht mehr üblich, dass Architekten nach der Fertigstellung einer Brücke eine gewisse Zeit unter der Brücke wohnen müssten, wie dies im alten Rom noch üblich war. Im alten Babylon wurden auch Architekten für den Einsturz von Gebäuden verantwortlich gemacht. Heute sieht die Welt ganz anders aus und die verantwortungen sind anders gelagert. Einige dieser einfachen Prinzipien der Haftung für Fehlentscheidungen könnte zur Verbesserung der Qualität der Entscheidungen führen und positiver wirken als mehr (hoffnungslose) Regulierung."

Qualität der Entscheidungen

Um die Qualität der Entscheidungen steigern zu können, ist es aus der Sicht von Taleb unerlässlich, dass diese möglichst dezentral und unter Einbeziehung möglichst vieler Teilnehmer getroffen werden. Dabei sollte ein kontinuierliches Streben nach der besten Lösung im Fokus liegen. Taleb: "In der Landwirtschaft oder im Weinbau wird auch nach dem 'trial and error' Prinzip nach der besten Lösung gesucht und dabei werden sehr viele individuelle Entscheidungen getroffen."

Die drei wichtigsten Prinzipien

Taleb fasst in seinen Ausführungen mit der Formulierung der aus seiner Sicht drei wichtigsten Prinzipien zusammen: Erstens die Vermeidung der zu starken Zentralisierung von Entscheidungen. Zweitens die Vermeidung von Schuldenbergen an der Spitze von Staaten, Institutionen und Organisationen und drittens die Einbindung der Entscheidungsträger in die Haftung und Erleben der Folgen an der eigenen Haut ("skin in the game").



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