Interview: „Zukunft 2050 – die Ära der Nachhaltigkeit und der smarten Maschinen“

Gastautor Dr. Ulrich Eberl ist einer der renommiertesten deutschsprachigen Wissenschaftsjournalisten und Zukunftsforscher. Er veröffentlichte unter anderem die Bücher „Zukunft 2050 – wie wir schon heute die Zukunft erfinden“ und „Smarte Maschinen – wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert“ Erste Asset Management | 22.01.2018 10:08 Uhr
Dr. Ulrich Eberl und Roboter Nao / ©  Eberl
Dr. Ulrich Eberl und Roboter Nao / © Eberl
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Wie wird man Zukunftsforscher Herr Dr. Eberl?

Dr. Ulrich Eberl: Am besten, indem man sich ein breites Wissen über grundlegende sozio-ökonomische Trends aneignet und indem man die neuesten technischen Entwicklungen aufmerksam verfolgt und ihre Zusammenhänge analysiert. Denn Zukunft fällt ja nicht vom Himmel, sie wird gemacht – in jeder Minute, von uns allen. Ich selbst habe in einem Grenzgebiet zwischen Physik, Biologie, Chemie und Gentechnik promoviert, da bekommt man ein sehr breites naturwissenschaftliches Grundverständnis. Die Anforderungen der Wirtschaft konnte ich in Großkonzernen kennenlernen, bei Daimler und Siemens, wo ich 20 Jahre lang die Kommunikation über Forschung und Innovationen geleitet und bis 2015 das Zukunftsmagazin „Pictures of the Future“ verantwortet habe. Im Jahr 2016 habe ich mich dann noch einmal selbstständig gemacht, um weltweit und unabhängig über Zukunftsfragen recherchieren zu können.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Einflussfaktoren und die langfristigen Megatrends?

Dr. Ulrich Eberl: Technische Neuerungen sind jedenfalls immer nur ein Faktor, der unsere Zukunft bestimmt – und vielleicht nicht einmal der wichtigste. Mindestens ebenso bedeutend sind soziale Trends, etwa über Wertvorstellungen in einer Gesellschaft, die Rolle der Frauen oder die alternde Bevölkerung sowie ökonomische Entwicklungen, etwa im Finanzwesen oder beim Welthandel. Zu den wichtigsten Megatrends gehört der demographische Wandel: So wird sich bis 2050 die Zahl der Menschen, die über 65 Jahre alt sind, weltweit auf 1,5 Milliarden verdreifachen. In Mitteleuropa wird dann schon jeder Achte über 80 sein – das hat enorme Auswirkungen nicht nur auf Gesundheits- und Rentensysteme, sondern auch auf das intelligente Zuhause oder das autonome Fahren. Ebenso wichtig für die Zukunft der Menschheit ist es, dass wir lernen, möglichst nachhaltig zu wirtschaften, also ohne die Umwelt zu stark zu belasten.

Sie prognostizieren eine Verdoppelung des Ressourcen- und Energieverbrauchs. Welche Rolle spielen hier erneuerbare Energieträger?

Dr. Ulrich Eberl: Unser Verbrauch an Rohstoffen könnte sich bis 2050 noch einmal verdoppeln, wenn wir so weiter machen wie bisher. Umweltexperten haben berechnet, dass wir dann die Erde so stark belasten würden, als hätten wir drei davon: in Sachen Luftverschmutzung, Klimagase, Zerstörung von Ökosystemen und vielen anderen Faktoren. Allein in den Meeren gäbe es dann mehr Plastikmüll als Fische. Die Lösung für eine lebenswerte Welt kann nur darin liegen, wesentlich mehr zu recyceln und in Kreislaufwirtschaften zu arbeiten sowie auf dem Energiesektor die erneuerbaren Quellen weiter auszubauen. Heute verfeuert die Menschheit pro Jahr so viel Öl, Kohle und Gas, wie in einer Million Jahre entstanden ist. Wir verbrennen also unser wertvollstes Erbe, das muss aufhören. Dazu brauchen wir aber nicht nur Solar-, Wind-, Wasser- und Biomasse-Kraftwerke, sondern auch neue Stromnetze, eine Art Internet der Energie, und intelligente Speichertechnik.

Ein großes Thema ist auch die Digitalisierung und das verstärkte Aufkommen von künstlicher Intelligenz. Welche Auswirkungen sind daraus zu erwarten?

Dr. Ulrich Eberl: Smarte Maschinen mit künstlicher Intelligenz kommen uns Menschen auf vielen Feldern immer näher. Sie können inzwischen sprechen und zuhören, Bilder erkennen, Texte verstehen und sogar selbst welche schreiben. So haben Computer im letzten Jahr rund eine Milliarde Texte geschrieben, ohne dass ein Mensch eingegriffen hätte – etwa Nachrichten über Sport, Börsenkurse oder das Wetter. Ärzte, Juristen und Finanzexperten setzen bereits Maschinen ein, die für sie Fachliteratur lesen, Datenbanken auswerten und Empfehlungen geben, ob für Krankheitsdiagnosen, Gerichtsverfahren oder Geldanlagen. Oder nehmen Sie die intelligenten Lautsprecher wie Amazon Echo: Denen können Sie Wissensfragen stellen oder mit ihnen die Klimaanlage steuern. Entscheidend ist die Lernfähigkeit solcher Systeme, nach dem Vorbild unseres Gehirns – auf diesem Gebiet ist in den letzten fünf Jahren mehr passiert als in den 50 Jahren vorher. Heutige Smartphones sind so leistungsfähig wie die besten Supercomputer Mitte der 1990er-Jahre, und das ist noch lange nicht das Ende: Bis 2040 werden wir noch einmal eine Vertausendfachung der Rechenleistung erleben. Dabei wird auch die Software immer raffinierter. Sie nutzt beispielsweise Milliarden von Bild-, Video-, Audio- und Textdateien im Internet als Lernbeispiele.

Mit der Digitalisierung werden also immer mehr Daten verfügbar. Kann die vernetzte Computerintelligenz auch zu einer Bedrohung werden?

Dr. Ulrich Eberl: Je mehr die Systeme vernetzt werden, desto mehr Einfallstore gibt es für Hacker oder Saboteure. Die Sicherheit und Zuverlässigkeit der smarten Maschinen zu gewährleisten, wird daher eine der wichtigsten Aufgaben in Zukunft sein. Zugleich entstehen auch erhebliche Gefahren für Privatsphäre und Datenschutz. Das reicht von der Überwachung von Personen durch Gesichtserkennung und Echtzeitverfolgung bis zur automatischen Erstellung von Persönlichkeitsprofilen allein aufgrund dessen, was jeder selbst in den sozialen Medien kommuniziert. Hier sollten mehr Filter, Verschlüsselungen und Authentifizierungsverfahren eingesetzt werden, und Daten sollten nur in eng begrenzten Räumen und für klar definierte Zwecke verarbeitet werden. Man muss auch strikte Regeln aufstellen, was Maschinen eigenständig tun dürfen und was nicht. Zum Beispiel dürfen sie niemals essentielle Entscheidungen treffen, ob in Krankenhäusern, bei Polizeimaßnahmen oder bei der Kreditvergabe von Banken. Hier müssen immer Menschen das letzte Wort haben.

Auch viele traditionelle Arbeitsplätze werden durch die neuen Technologien gefährdet. Welche Jobs wird es besonders treffen?

Dr. Ulrich Eberl: Kein Zweifel, die smarten Maschinen werden alle Jobs verändern: So werden viele Routinetätigkeiten in Büros künftig von Maschinen schneller und effizienter erledigt werden – das bedeutet aber nicht, dass alle diese Arbeitsplätze wegfallen. Auch morgen und übermorgen wird es noch Ärzte und Finanzberater geben, weil der soziale Kontakt zu Patienten und Kunden nicht adäquat von Maschinen übernommen werden kann – selbst wenn Chatbots und Avatare in der Kommunikation immer besser werden. Kurz gesagt, wird daher von den Menschen in Zukunft vor allem Kreativität gefordert sein, Sozialkompetenz und die Beherrschung komplexer Tätigkeiten. Darauf muss sich auch die Berufsausbildung einstellen.

Wo gibt es vielleicht sogar neue Chancen?

Dr. Ulrich Eberl: Wir werden den smarten Maschinen überall begegnen und wir werden sie auch brauchen: die Smart Cars und Smart Homes als Hilfen für die älter werdende Bevölkerung, die Smart Grids für nachhaltige Energiesysteme, Smart Finance für die Finanzwirtschaft, die Smart Factory – oft auch als Industrie 4.0 bezeichnet – für eine wettbewerbsfähige Industrie und die Smart Cities für lebenswerte Städte. Daraus ergibt sich eine enorme Vielfalt an neuen Geschäftsmöglichkeiten. Davon profitieren werden diejenigen, die die Chancen als erste erkennen und konsequent umsetzen.

Die Welt wird immer heterogener. Auf der einen Seite haben wir Technologien für selbstfahrende Autos, auf der anderen Seite müssen Menschen in Slums leben und flüchten aus ihrer Heimat. Man könnte auch ein düsteres Bild der Zukunft zeichnen, bei der nur die Wohlhabenden (Nationen) von den neuen Technologien profitieren. Teilen Sie diese Ansicht?

Dr. Ulrich Eberl: Ja und nein. Natürlich kann man sich auch dystopische Zukunftsvisionen vorstellen, eine düstere Welt voller Müll und Konflikte, wie sie etwa im neuen Film Blade Runner 2049 gezeichnet wird. Doch welchen Weg die Menschheit einschlägt, hängt von den Entscheidungen ab, die wir heute und in Zukunft treffen. Ich versuche, optimistisch zu sein, aber ohne Solidarität und Kooperation unter den Menschen wird es nicht gehen. Technik kann dabei helfen, wenn wir sie richtig einsetzen. Nehmen Sie nur das Beispiel von Solar- und Windanlagen, die Strom in entlegenste Gegenden bringen. Oder die Smartphones: Auch in armen Regionen eröffnen sie den Menschen heute Zugang zum gesamten Wissenskosmos des Internet – und ermöglichen zudem das Bezahlen auch ohne Bargeld und Banken.

Welche Tipps haben Sie für uns auf Lager?

Dr. Ulrich Eberl: Die Zukunft sind wir selbst. Jeder Mensch hat besondere Fähigkeiten, auf denen wir aufbauen können. Seien Sie neugierig, haben Sie Spaß daran, ständig hinzuzulernen – und keine Angst vor einer Revolution der Maschinen! Auch die klügsten Computer oder Roboter werden auf absehbare Zeit noch Fachidioten bleiben, also bestimmte Aufgaben besonders gut können, aber sie werden keine Allgemeinintelligenz entwickeln, geschweige denn eine emotionale und soziale Intelligenz. Wir Menschen werden auch in der Welt von morgen noch gebraucht: als Lenker und Denker, als Planer und Entscheider, als kreative Problem- und Konfliktlöser, als diejenigen, die Qualität und Sicherheit gewährleisten, und als die entscheidenden Partner für unsere Kunden und Zulieferer.

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