ETHENEA: „Die EZB könnte noch mehr tun“

Geringes Wachstum, neue geldpolitische Maßnahmen und hohe Kapitalabflüsse. Die ersten drei Monate des Jahres waren für viele Volkswirtschaften kein Zuckerschlecken. Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA Independent Investors (Schweiz) AG, sprach Anfang März mit e-fundresearch.com über die Lage in den USA, der Eurozone und China. ETHENEA | 16.03.2016 11:00 Uhr
Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA Independent Investors (Schweiz) AG / ©  ETHENEA Independent Investors
Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA Independent Investors (Schweiz) AG / © ETHENEA Independent Investors
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[chatStart] [chat]Herr Longchamp, in Ihrem monatlichen Marktkommentar werfen Sie regelmäßig einen genauen Blick auf die Entwicklung des privaten Konsums in den USA. Nun weisen jüngste BIP-Zahlen darauf hin, dass sich die konjunkturelle Erholung der letzten drei Jahre in den USA abgeschwächt hat. Ist der private Konsum, eine wichtige BIP-Komponente, auch davon betroffen?[/chat] [chat author="Yves Longchamp"]Um sich ein Bild der Dynamik des privaten Konsums zu machen, schaut man sich am besten die Entwicklung des Arbeitsmarktes an. Ausschlaggebend für den Konsum ist nämlich die Tatsache, ob der amerikanische Verbraucher einen Job hat oder nicht. Die Beschäftigung ist also ein zentraler Faktor für den privaten Konsum. Dies bedeutet, dass sich die Frage nach der künftigen Entwicklung des Konsums mit der des Arbeitsmarktes deckt. In diesem Zusammenhang lohnt es sich aber auch, die Verbindung zwischen der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Entwicklung der Arbeits­losenquote näher zu betrachten. Die Arbeitslosigkeit ging 2014 sehr stark zurück, um mehr als einen Prozentpunkt. Seitdem hat sich dieser Rückgang verlangsamt auf 0,6 Prozentpunkte pro Jahr im Januar. Diese Verlangsamung wird sich auch weiter fortsetzen, da ein weiterer Rückgang bei einer Arbeitslosigkeit, die sich nahe dem Gleichgewicht befindet, schwierig ist. Mit einer Arbeitslosenquote nahe dem Gleichgewicht sollte also die Schaffung neuer Arbeitsplätze in diesem Jahr abnehmen. Aufgrund der starken Verbindung zwischen Letzterer und dem privaten Konsum ist daher auch davon auszugehen, dass dieser, auch wenn er robust bleibt, sich ebenfalls verlangsamen wird.[/chat] [chat]Schauen wir nun auf die Eurozone. Wie ist es hier um die Volkswirtschaften bestellt?[/chat] [chat author="Yves Longchamp"]In der Eurozone ist ein interessantes Phänomen zu beobachten: Die starken Wachstumsbeiträge haben sich graduell von Norden nach Süden verschoben. Während Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Währungsunion, nach der Eurokrise eine zentrale Rolle bei der Erholung spielte, sank im vergangenen Jahr der deutsche Beitrag zum Wachstum der Eurozone. Dies geschah hauptsächlich weil die Nettoexporte zurückgingen. Es ist erstaunlich, dass Deutschland, eine der weltweit führenden Exportnationen, bei einer schwachen Währung nicht von einer Exportsteigerung profitieren konnte. Dies legt nahe, dass das niedrige globale Wachstum dabei eine entscheidende Rolle gespielt hat. In Südeuropa wiederum, vor allem in Spanien und Italien, hat sich die Beschäftigung verbessert und damit auch der private Konsum. Bei einer Arbeitslosigkeit in Spanien von noch immer über 20 Prozent ist das Potenzial für weiteres Wachstum groß. Dies trifft aber auch auf alle anderen Länder zu, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Beschäftigung an Schwung gewinnt.[/chat] [chat]Die Konjunktur in der Eurozone erholt sich insgesamt nur schleppend. Die Europäische Zentralbank hat daher am 10. März neue geldpolitische Lockerungsmaßnahmen angekündigt, mit einem Leitzins von erstmals null Prozent. Hat die EZB damit ihr Pulver verschossen oder stehen ihr noch weitere Instrumente zur Verfügung?[/chat] [chat author="Yves Longchamp"] Dass die EZB ihr Pulver verschossen hat, kann man so nicht sagen. Tatsache ist zwar, dass manche Zentralbanken mittlerweile schon fast hilflos wirken in ihrem Bemühen, die Wirtschaft zum Wachsen zu stimulieren, aber einige Maßnahmen sind immer noch vorstellbar. Was die EZB betrifft, so hat sie am 10. März neben der Senkung aller wichtigen Zinsen ja auch ihr milliardenschweres Anleihekaufprogramm ausgeweitet und neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte angekündigt. Der Hauptrefinanzierungssatz wurde von bislang 0,05 Prozent auf 0 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz von 0,30 auf 0,25 Prozent gesenkt. Darüber hinaus wurde der Einlagensatz weiter von minus 0,30 auf minus 0,40 Prozent reduziert. Auch das im März 2015 gestartete Kaufprogramm von Wertpapieren wurde ausgeweitet. Anstatt 60 Milliarden Euro monatlich wird die Notenbank ab April Anleihen mit einem Wert von 80 Milliarden Euro aufkaufen. Außerdem wurde ein zusätzliches langfristiges Refinanzierungsprogramm mit einer Laufzeit von 4 Jahren zur Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld aufgelegt. Auch wenn Mario Draghi angedeutet hat, dass die EZB in Bezug auf den Einlagezins ein unteres Limit erreicht hat, hat sie mit der Ankündigung, dass das Ankaufprogramm auf Euro-denominierte Investment-Grade-Unternehmensanleihen (ohne Banken) im Euroraum ausgeweitet wird, ihr Arsenal um ein zusätzliches Instrument erweitert, wie wir bereits in unserem Marktkommentar antizipiert haben. [/chat] [chat]Und was soll dieses neue Instrument bewirken?[/chat] [chat author="Yves Longchamp"]Der Financial Conditions Index (FCI) könnte darauf eine Antwort liefern. Der FCI ist ein Index, den Zentralbanken heranziehen, um den Zustand ihrer Geldpolitik zu analysie­ren. Er umfasst drei Dimensionen: den Zinssatz, die Risikoprämie und die Währungsdimension. Die EZB, wie viele andere Zentralbanken der Welt, hat die Möglichkeiten der ersten Dimension, also des Zinssatzes, bereits ausgiebig genutzt. Die kurzfristigen Zinsen sind niedrig, sogar negativ, und die Zinsen am langen Ende sind infolge der Implementierung des Ankaufprogramms auch tief. Diese Dimension ist nun entsprechend Draghi’s Kommentar größ­tenteils ausgeschöpft. Die dritte Dimension, die Währung, wird zwar offiziell von keiner der Zentralbanken der westlichen Volks­wirtschaften ins Visier genommen – mit der Ausnahme der Schweizerischen Nationalbank –, sie wird aber indirekt durch die Zinssätze, die niedriger sind als in anderen Ländern, manipuliert. Diese Dimension bietet zwar kurzfristige Vorteile, wie beispielsweise die Exporte anzukurbeln und die Inflation zu unterstützen, hat in einer Welt mit niedriger Inflation und geringem Wachstum aber nur eine begrenzte Wirkung. Die zweite Dimension hingegen, die Risikoprämie, wurde von der EZB bisher noch nicht stark genutzt. Indem die EZB nun nicht nur Staats- sondern auch Unternehmensanleihen kauft, reduziert sich die Risikoprämie im Markt. Damit sollte sich die Finanzierungsmöglichkeit von Unternehmen im Euroraum verbessern.[/chat] [chat]Zum Schluss noch eine Frage zu China. Das Land hatte in den vergangenen Monaten mit starken Kapitalabflüssen zu kämpfen. Wird die chinesische Zentralbank reagieren müssen, falls sich die Kapitalabflüsse in diesem Tempo weiter fortsetzen?[/chat] [chat author="Yves Longchamp"]In der Tat, sollten sich die Kapitalabflüsse in diesem Tempo fortsetzen, könnten die gegenwärtigen De­visenreserven von 3,2 Billionen US-Dollar, weltweit immer noch die höchsten, in wenigen Monaten auf ein Niveau sinken, das die Zentralbank zu einem entschlosseneren Handeln zwingen könnte. Die geldpolitischen Maßnahmen, die der People’s Bank of China dann noch bleiben, um den Kapitalabflüssen entgegenzuwirken, sind die Wiederaufnahme verstärkter Kapitalkontrollen, die Abwertung der Währung auf ein so tie­fes Niveau, dass keine weitere Abwertung mehr zu erwarten ist oder die Anhebung der Zinsen. Alle diese Optionen haben allerdings ihren Preis und wurden bislang von der Chinesischen Zentralbank abgelehnt. Ob diese Möglichkeiten letztlich doch zum Zuge kommen, hängt davon ab, wie sich die Kapitalabflüsse in den kommenden Monaten entwickeln werden.[/chat] [chat]Herr Longchamp, vielen Dank für das Gespräch.[/chat] [chatEnd]
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