Ist die Bankenkrise nach 10 Jahren endlich überstanden?

"Europäische Banken sind zwar von dem soliden Zustand und dem Wachstum ihrer Pendants in den USA noch weit entfernt, befinden sich aber auf einem guten Weg" | Adrian Hull, Senior Fixed Income Investment Specialist bei Kames Capital, zieht Bilanz: Aegon Asset Management | 11.07.2017 16:09 Uhr
Adrian Hull, Senior Fixed Income Investment Specialist, Kames Capital / ©  Kames Capital
Adrian Hull, Senior Fixed Income Investment Specialist, Kames Capital / © Kames Capital
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

"Der Juni 2017 könnte sich als passender Höhepunkt zum Jahrestag des Ausbruchs der Bankenkrise erweisen. In der Schweiz geriet vor allem die UBS in den Sog der Krise. 2007 musste die Großbank eine umfangreiche Abschreibung hinnehmen, 2008 folgte eine Bezugsrechtsemission im Wert von 16 Mrd. CHF. In den USA war Bear Stearns das erste Opfer der Bankenkrise, die im Zusammenbruch von Lehman Brothers gipfelte. In Großbritannien nahm die Krise mit der Pleite von Northern Rock 2007 ihren Lauf. Ein Zeitsprung ins Jahr 2017 zeigt, dass sich vier Institute mit Mühe und Not bis jetzt über Wasser halten und schließlich aus ihren Krisen herausfinden konnten. Die in Spanien, Italien und Großbritannien ansässigen Institute Banco Popular, die Veneto-Banken und die Co-op Bank „lösten“ ihre Probleme auf sehr unterschiedliche Weise und ihr Fortbestehen nach der Krise von 2008 war nur von kurzer Dauer. Ein genauer Blick auf den Umgang mit diesen Instituten offenbart, vor welch großen Problemen Bankenregulierer, Banken und Regierungen nach wie vor stehen. 

Keine dieser Banken war so systemrelevant wie Lehman, RBS oder auch die UBS. Das soll nicht deren Bedeutung für die Stakeholder herunterspielen. Dennoch ist bemerkenswert, wie der Zusammenbruch von Banken gelenkt und aufgehalten wird. 

Die Probleme der auf Kredite für KMU spezialisierten Banco Popular riefen in Europa rasch die europäische Bankenabwicklungsbehörde (Single Resolution Board) auf den Plan. Dieser Weg schien sich auch für die Veneto-Banken anzubahnen. Doch nach Gesprächen in Brüssel nutzte die SRB eine Regulierungslücke, um die beiden Geldhäuser als nicht systemrelevant einzustufen und Italien den Schwarzen Peter zuzuschieben. Italien handelte schnell und griff der Banca Popolare di Vicenza und der Veneto Banca mit einem gigantischen Rettungspaket von 19 Mrd. USD unter die Arme. Die Regierung in Rom stufte beide Banken als systemrelevant für die wohlhabende Region in Norditalien ein. Dass angeschlagene Banken nach wie vor riesige Liquiditätsspritzen benötigen, spricht Bände über das schleppende Reformtempo in Italien. 

Schlagkraft hat zugenommen

 Allgemein funktioniert die Bankenregulierung in Europa schnell und effektiv und ihre Schlagkraft hat sich gegenüber 2008 deutlich verbessert. Die oben erwähnten Fälle zeigen, dass die Regulierer den Banken heute im Nacken sitzen, nachdem die EU im Juni 2014 das Rahmenwerk für die Sanierung und Abwicklung von Banken und Wertpapierfirmen (BRRD) verabschiedet hat. Diese Richtlinie war eine Reaktion auf 2008 und die anschließende Eurokrise 2011 und sollte die Verpflichtung der Nationalstaaten zu staatlichen Rettungsmaßnahmen begrenzen und eine Ansteckung zwischen den Systemen verhindern. 

Bereits vor der EU forderte die eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA eine deutliche Erhöhung des Eigenkapitals innerhalb des Bankensystems. In Europa als auch in den USA erwiesen sich die staatlichen Rettungsaktionen als willkürlich, da sie zwangsläufig als Reaktion auf Krisensituationen erfolgten. Anleihegläubiger wurden je nach Großzügigkeit des jeweiligen Landes und Art der Rettung weitgehend zufällig zur Kasse gebeten oder belohnt. Mit der Einrichtung des SRB sollte die Gleichbehandlung der Anleihegläubiger sichergestellt und eine klare Rangfolge festgelegt werden, die exakt definiert, „wer was bekommt“. Auf diese Weise könnten Anleger ihr Risiko erkennen und eigene Bewertungen durchführen, ohne auf die nationalen Regierungen zurückzugreifen. 

Ganz so einfach ist es aber leider nicht, wie der Fall der Banco Popular belegt, die dringend frisches Kapital benötigt. Nach mehreren Kapitalerhöhungen zogen die Aktionäre es dieses Jahr jedoch vor, alles zu verlieren, statt noch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Dadurch gingen die Inhaber nachrangiger Tier 1- und Tier 2-Anleihen ebenfalls effektiv leer aus. Während Inhaber vorrangiger Anleihen bei der privaten („bail-in“) Rettung der Bank mit einem blauen Auge davonkamen, blieben die Inhaber nachrangiger Titel bei dem schnellen, effektiven und brutalen SRB-Verfahren auf der Strecke. 

Wie weiter bei den Veneto-Banken?

Droht den Veneto-Banken nun das gleiche Schicksal? Damit müssen wohl alle außer den Privatanlegern rechnen, die nachrangige Vicenza- und Veneto-Anleihen halten. Aufgrund seiner Innenpolitik musste Italien sich um seine Privatanleger kümmern. In Italien ist es nichts Ungewöhnliches, bei seiner Bank vor Ort eine Anleihe zu kaufen, die eine höhere Rendite abwirft, als eine von der EU garantierte Geldanlage. So zahlt der Abwicklungskandidat Intesa Sanpaolo Geld an seine Anleihegläubiger zurück (das von der italienischen Regierung bereitgestellt wurden), um sicherzustellen, dass Privatanleger in Italien nicht nervös werden. Das entspricht nicht ganz der Einschätzung des Risikos in der Kapitalstruktur durch das SRB. Sie sah den Haupttreiber der Verluste vor allem in der Nachrangigkeit und weniger im Halten. 

Die Anleihegläubiger der britischen Co-op Bank sind nicht so glimpflich davongekommen. So sind Privatanleger, die nachrangige Co-op-Anleihe halten, weniger einflussreich oder systemrelevant und von ihren Verlusten geht keine Ansteckungsgefahr aus. Sie mussten 2013 bereits einen dramatischen Wertverlust hinnehmen, nun droht ein weiterer Rückgang des Werts ihrer Anleihen um 55%. Die ungeliebten Hedgefonds, die bereits mit 80% an der wenig brillanten Co-op-Bilanz beteiligt sind, sollen nun 99% der Bank übernehmen. 

Fazit

Zum einen hatte die europäische Bankenabwicklungsbehörde keinen schlechten Start, auch wenn die Ergebnisse eher pragmatisch als regelbasiert waren. Letztlich wird sich die Wirksamkeit des neuen Systems erst vollständig bewähren, wenn es durch ein weltweit bedeutendes Finanzinstitut auf die Probe gestellt wird. 2007 und 2008 wurde vor allem über die moralische Gefahr der Bankenrettung diskutiert. Da sich eine derartige Krise nicht wiederholen sollte, gilt es, Vertrauen in das neue SRB-System nach und nach aufzubauen. So weit, so gut.
Zum anderen hatten alle im Juni ins Straucheln geratenen Institute seit mehr als fünf Jahren mit konkreten Problemen zu kämpfen. Nun, da Lösungen bereitstehen, sollte dies als Reinigungsprozess angesehen werden. Der Jahrestag von Northern Rock fällt zwar nur zufällig in diese Zeit, erinnert aber genau zum richtigen Zeitpunkt daran, wie lange die Sanierung des Bankensystems dauern kann. 

Und last but not least beginnt die Zeit, die Wunden zu heilen. Für notleidende Kredite in Europa oder italienische Regionalbanken sind wir noch nicht über den Berg, aber europäische Banken präsentieren sich unterdessen doch deutlich robuster. Die Bankenregulierung in der Schweiz entspricht nun der traditionell vorsichtigen Haltung des Landes. Europäische Banken sind zwar von dem soliden Zustand und dem Wachstum ihrer Pendants in den USA noch weit entfernt, befinden sich aber auf einem guten Weg. Die Regulierer sind klar aktiver geworden und haben die Risikofaktoren genau im Blick. Davon dürften Finanzemittenten weiterhin profitieren." 

Adrian Hull, Senior Fixed Income Investment Specialist bei Kames Capital

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