Ängstliche Bullen vs. panische Bären

Bullen oder Bären: Welches Lager wird in den kommenden Monaten und Quartalen die Nase vorn haben? Laut Salman Ahmed, Global Strategist, Lombard Odier Investment Managers, wird im aktuellen Umfeld viel von der Fähigkeit der Politiker abhängen. Lombard Odier Investment Managers | 29.01.2016 09:45 Uhr
Salman Ahmed, Global Strategist, Lombard Odier Investment Managers / ©  Lombard Odier Investment Managers
Salman Ahmed, Global Strategist, Lombard Odier Investment Managers / © Lombard Odier Investment Managers
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Entropie

Das zweite Gesetz der Thermodynamik besagt, dass die Entropie oder das Chaos im Universum stetig zunimmt. Das erklärt, warum die Zeit kontinuierlich vorwärts läuft und warum sich der natürliche Zustand des Universums mehr in Richtung Chaos als in Richtung einer zunehmenden Ordnung bewegt. In den vergangenen Wochen erinnerten uns die weltweiten risikoreicheren Assetmärkte rechtzeitige an dieses grundlegende Naturgesetz, das sowohl unsere Welt als auch das Universum bestimmt. Jedoch war die „intelligente“ Interaktion des Menschen mit der Natur seit Anbeginn des Lebens auf das Management dieses natürlichen Prozesses (also zunehmende Entropie) ausgerichtet. Wobei unser Handeln und unsere Werkzeuge uns in die Lage versetzen, diesen natürlichen Zustand der Dinge zu unseren Gunsten zu verzögern und um diesen herum zu manövrieren. In der Tat wird, so wie Dinge derzeit stehen, die Fähigkeit der verantwortlichen Politiker diese zunehmende „Unordnung“ zu managen, entscheiden, welches Lager (Bullen oder Bären) in den kommenden Monaten und Quartalen die Nase vorn haben wird.  

Panische Bären

Das Szenario, dass die Bären unterstützt, ist klar. Der massive Anstieg der Verschuldung in der globalen Wirtschaft seit der Krise 2008/09, insbesondere in China und dem weltweiten Energiesektor, kommt zu seinem unvermeidlichen Ende. Eine Trendwende bei den Konkursen, die notwendig wäre um das System zu reinigen, die bis jetzt aber von unprofitabler Verwendung von Kapital in erheblichem Ausmaß blockiert ist, scheint langsam zu anzufangen.

Der weitverbreitete Einsatz von Wertpapierkaufprogrammen durch das Drucken von Geld, eingesetzt von den großen Notenbanken der Welt, hat einen direkten Anreiz zur ineffizienten Nutzung von Kapital geschaffen. Wobei die zugrundeliegenden Fundamentaldaten dabei keine ausreichende Berücksichtigung fanden. Während dieser Kapitaleinsatz in vollem Gange war, wurden die Risikoprämien in einigen risikoreichen Märkten „künstlich“ niedrig gehalten, um diesen Prozess zu erleichtern. Das führte zu einem zeitweisen Wachstumsschub (auch wenn dieser viel geringer war, als ursprünglich anvisiert oder versprochen) und schuf eine Art „Goldilocks“-Umfeld für die globale Wirtschaft. Die erste Bewährungsprobe für diese „neue wirtschaftliche Ordnung“ kam 2011, als politische Themen in Europa das Schlaglicht auf die zugrundeliegenden Verschuldungskennziffern warfen. Jedoch rettete Mr. Draghi die Situation – er zauberte einen Hasen aus seinem politischen Hut und versprach, alles Notwendige zu tun („whatever it takes“), um den Euro zu verteidigen. Die durch dieses Versprechen erzielte Glaubwürdigkeit genügte, um die Märkte zu beruhigen, und schaffte einen Gezeitenwechsel, indem der Anreiz einer „Zusatz-Rendite“ das Kapital zurück nach Europa brachte.

Wenn wir auf 2016 schauen, dann ist der grundlegende Fokus auf die Fundamentaldaten stärker als je zuvor. Schließlich setzt sich die Wachstumsabschwächung in China, gepaart mit den Risiken einer Finanzkrise (angesichts anhaltender Kapitalabflüsse und schlechter politischer Kommunikation), fort, was derzeit auch in den globalen Makrodaten der Welt nachhallt. In dieser Situation ist der Start des Zinserhöhungszyklus durch die Fed, der den Dollar (die entscheidende Reservewährung der Welt) in den vergangenen eineinhalb Jahren nach oben getrieben hat, nicht gerade hilfreich.

Um das Bären-Szenario zusammenzufassen: Die Katze ist aus dem Sack und die hohen Bewertungen (besonders bei risikoreicheren Anlagen in den USA) passen nicht mehr zur globalen wirtschaftlichen Realität. Deshalb muss der weltweite Komplex risikoreicher Assets einen heftigen „Beta“-Schock, in Form fallender Kurse, durchlaufen. Dieser fängt gerade an, die Risikoprämien durch die Bank nach oben zu schieben.

Was die Bären aber in Angst und Schrecken versetzt, ist eine Wiederholung des politischen „Tricks“ von Mr. Draghi, der entweder verspricht, das System mit zusätzlicher freier Liquidität zu fluten, oder es tatsächlich tut. Auf jeden Fall aber genug, um den Blick auf die grundlegende Realität zu verschleiern, und um zu einer Art „Ordnung“ zu kommen, indem Investoren dazu gebracht werden, risikoreiche Anlageklassen zu kaufen, während die Erträge risikofreier Assets tiefer in negatives Territorium absinken.

Ängstliche Bullen

Das für risikoreiche Assetklassen positive Bullen-Szenario, basiert, insbesondere angesichts der jüngsten heftigen Kursbewegungen, auf der relativen Risikoprämie (gegenüber Staatsanleihen). Und dem Vertrauen in die anhaltend positive Wirkung der Politik auf die Vermögenspreise, wenn nicht gar auf die wirtschaftlichen Ergebnisse, sowohl in den entwickelten Volkswirtschaften wie auch in China.

Im Fall Chinas ist der starke Anstieg der Verschuldung in einer Reihe heimischer Sektoren (insbesondere Lokalregierungen, Immobilien und Infrastruktur) augenscheinlich ein großes Thema. Um aber diese düstere Realität wegzuschieben, ist es wichtig, der politischen und ökonomischen Befehlsstruktur in China, das zudem über mehr als drei Billionen Dollar an liquiden Reserven verfügt, Beachtung zu schenken. Dazu kommt, dass das Land in den vergangenen drei Jahren bereits Abflüsse von einer Billionen Dollar hinnehmen musste (laut den Daten von IIF), was darauf hinweist, dass auf globaler Ebene die Allokation gegenüber den Risiken in China bereits deutlich reduziert wurde. Darüber hinaus hat das Land glaubwürdige Auffangmechanismen zur Verfügung, so lange der Wille der Regierung intakt bleibt. Hier sind die politische Ökonomie in China (wirtschaftliche Stabilität als ein Schlüsselpfeiler für sozialen Frieden) und die verfügbaren Politik-Instrumente (die über die nur konventionellen finanziellen und administrativen Möglichkeiten hinausgehen) ein wesentlicher Grund dafür, dass die derzeitige Situation zu einem dauerhaften Thema (wie auch in Europa) werden kann, und eben nicht zu einem einmaligen Ereignis, also einer schnellen und heftigen Krise wie 1997 und 2008.

Zusätzlich zu den Herausforderungen in China, findet das Bullen-Szenario Unterstützung durch das globale disinflationäre Umfeld (sogar in den USA). Schließlich bedeutet das, dass andere wichtige Notenbanken wie die EZB oder die Bank of Japan noch expansiver werden müssen, um auf diese Weise den Kanal des Portfolio-Rebalancing zu reaktivieren, wodurch Investoren gezwungen werden, zusätzliche Risikoprämien zu ernten, um ihre Ertragsziele zu erreichen.  

Es scheint so, dass sich dieses Bullenszenario am europäischen Aktienmarkt am deutlichsten zeigt. Dort schaffen die anhaltende graduelle wirtschaftliche Erholung, die lockeren Finanzierungsbedingungen, die Deflation, die die Zentralbank dazu zwingt, noch expansiver zu werden, und weniger anspruchsvolle Bewertungen einen soliden Rahmen für eine Erholung der Vermögenspreise.

Nach sieben Jahren recht seichter globaler wirtschaftlicher Erholung nach der großen Finanzkrise 2008/09 und den zunehmenden Zweifeln an der Effektivität der quantitativen Maßnahmen (gemessen an deren Wirkung auf die Realwirtschaft) gibt es für die Bullen, ähnlich wie für die Bären, gute Gründe, echte Befürchtungen/Ängste gegenüber dem politikgetriebenen Bullenszenario zu hegen, da es keine Knappheit an fundamentalen Sorgen gibt.

Wo stehen wir heute?

Soweit es unsere eigene Einschätzung betrifft, gehen wir davon aus, dass der dominante Einfluss der Geldpolitik auf risikoreiche Anlagen, auch wenn diese wenig erfolgreich darin war, die reale Wirtschaft anzuschieben, nicht zu leugnen ist. Wir denken auch, dass die Sensibilität der Notenbanker gegenüber den zugrundeliegenden Finanzierungsbedingungen unter den aktuellen Rahmenbedingungen, also dem niedrigen Produktivitätswachstum und der niedrigen Inflation, was weiterhin eine übermäßige Flaute in der weltweiten Konjunktur signalisiert, recht hoch ist. Da die Fiskalpolitik nach wie vor nicht zur Verfügung steht, bleibt die Geldpolitik das entscheidende Bollwerk gegen eine Kehrtwende im Konjunkturzyklus (insbesondere in der entwickelten Volkswirtschaften). Und das scheint an dieser Stelle des Konjunkturzyklus langsam zum entscheidenden Ziel der Politiker zu werden. Wie sehen bereits Anzeichen dieser erhöhten Sensibilität gegenüber den Finanzierungsbedingungen. Bestes Beispiel ist die EZB, die vergangene Woche eine weitere Runde der Lockerung signalisierte, während von der Fed erwartet wird, dass sie ihre taubenhafte Haltung in den kommenden Tagen, trotz des im Dezember gestarteten Zinserhöhungszyklus (dem ersten seit 2006), ausweiten wird.

Dennoch bleiben wir als fundamentalorientierte Investoren angesichts der anhaltenden Anpassung des Wirtschaftsmodells gegenüber den Risiken in China negativ eingestellt. Aber wir denken auch, dass entweder das Versprechen oder der tatsächliche Einsatz von mehr Liquidität das Risiko eines anhaltenden „Beta“-Schocks verringert, was eine differenziertere, wenn auch turbulente Kursentwicklung bei risikoreichen Anlageklassen erlaubt. Hier impliziert unsere Investmentphilosophie, mit unserem Fokus auf risikobewusstes Investieren, auf die zugrundeliegenden Fundamentaldaten und den erwiesenen Fähigkeiten unserer Manager bei der Portfoliokonstruktion, die tiefe Analyse struktureller Extremrisiken im System, die die Folge der sehr hohen Verschuldung und eines gestörten Liquiditätsumfeldes sind.

Aktualisierung unseres Makro-Ausblicks

Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Wochen und des jüngsten Informationsflusses ist es vielleicht die richtige Zeit, unser zugrundeliegendes Makrobild zu überarbeiten, das wir früh im vergangenen Jahr veröffentlicht haben und in unserem Ausblick auf 2016 erneuert haben.

Angesichts des Absturzes der Ölpreise und des anhaltenden Drucks auf das produzierende Gewerbe weltweit glauben wir, dass die Wahrscheinlichkeit unseres Basisszenarios, die “Japanisierung” Europas/einer globalen Disinflation, weiter gestiegen ist. Deshalb haben wir die Wahrscheinlichkeit für dieses Basisszenario von 60 auf 70 Prozent erhöht. Gleichzeitig erkennen wir das systemische Extremrisiko, das China birgt, an und erhöhen die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Extremereignisses von 10 auf 15 Prozent. Allerdings glauben wir, angesichts der Bereitschaft und der Fähigkeit der chinesischen Führung, zusammen mit den ausgiebigen Kapitalabflüssen, die wir in den vergangenen beiden Jahren gesehen haben (was eine geringere Allokation in der Welt gegenüber China-Risiken impliziert), dass das Risiko einer Finanzkrise ausgehend von China weit unter 50 Prozent liegt

Salman Ahmed, Global Strategist, Lombard Odier Investment Managers

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