Niedrigzinsumfeld und Betriebliche Pensionsvorsorge am Wendepunkt

Exklusivinterview mit Barbara Bertolini, Initiatorin des Institutionellen Altersvorsorge- und Investorengipfels sowie des am 19. Oktober in Wien stattfindenden Institutionellen Altersvorsorge Herbstdialogs: Markets | 10.10.2016 11:00 Uhr
Barbara Bertolini / ©  www.stefanjoham.com
Barbara Bertolini / © www.stefanjoham.com
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Unter dem Motto „Pensionsvorsorge am Wendepunkt“ hat Barbara Bertolini nun dieses Jahr zum bereits zweiten Mal Spitzenvertreter des EU-Parlaments, der institutionellen Kapitalanlagewelt, Wirtschaft, Wissenschaft, den Fachverbänden und aus der Politik nach Wien geladen. Die Konferenz ist bereits eine Fortsetzung des im Juni stattgefundenen Institutionellen Altersvorsorge- und Investorengipfels (e-fundresearch.com berichtete). Die Brisanz des Themas und das Interesse Institutioneller Investoren zeigt sich schon anhand der Anmeldungen der Vorstandsriege und Entscheidungsträger der Pensions- und Vorsorgekassen, der Versorgungswerke und Versicherungen die aus der DACH-Region und darüber hinaus, dafür am 19. Oktober nach Wien reisen. So ist das Forum nicht nur seit bereits drei Wochen ausgebucht, das verwaltete Vermögen der Investoren die sich hier im „kleinen Kreis“ untereinander austauschen, beläuft sich auf satte 320 Milliarden Euro.

Mag. Albert Reiter von e-fundresearch.com traf Barbara Bertolini, die Initiatorin des Gipfeltreffens und der Konferenz, zu einem Exklusivinterview.

Albert Reiter: Frau Bertolini, Sie haben mit Ihren Veranstaltungen nicht nur die institutionelle Kapitalanlage sondern auch die Rentenpolitik sehr stark thematisiert. Was steckt hinter dieser Idee?

Barbara Bertolini: Sagen wir so, im ersten Drittel des nun stattfindenden Institutionellen Altersvorsorge Herbstdialoges geht es um die Rentensysteme Österreichs, Deutschlands und der Schweiz. Anschließend geht es um Kapitalanlage sowie um Makroökonomie, um das Brexit-Votum und in diesem Zusammenhang auch um neue Ausrichtungen und Lösungsansätze in der Veranlagung. Das Vorsorgethema auch auf politischer Ebene und über den österreichischen Horizont hinaus aufzugreifen, sehe ich deshalb für relevant, da alle drei Säulen der Altersvorsorge gleichermaßen von Bedeutung sind und ich überzeugt bin, dass wir von unseren Nachbarländern lernen können und umgekehrt.

Albert Reiter: Das Thema Pensionen wird ja von der Politik immer sehr vorsichtig behandelt und mutige Reformschritte sind nicht wirklich erkennbar.

"Warum das Thema in der Alpenrepublik leider immer noch punktuell behandelt wird, ist vielleicht einfacher mit einem Zitat von Thomas Mann zu beantworten: Tief ist der Brunnen der Geschichte…"

Barbara Bertolini: Ja, das Thema braucht scheinbar in Österreich noch Zeit und im Moment werden aus der Politik eher nur kleine Häppchen serviert – sozusagen ein Gruß aus der Küche. Beispielsweise findet derzeit in Deutschland eine recht heiße Pensionsdebatte statt. Dort wurde bereits erkannt, dass die Altersvorsorge alles andere als eine Petitesse ist. Sowohl Arbeitsministerin Andrea Nahles, als auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, aber auch Heribert Karch, Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes der Pensionskassen in Deutschland wollen das Rentensystem nicht nur stabilisieren, sondern sind bereits in Ausarbeitung eines Konzeptes für eine Sozialpartnerschaft von Staat und Betrieb. Hier wird also längst nicht mehr um Kaisers Bart herumgeredet, da geht es um konkrete um umsetzbare Inhalte. Nichts desto trotz versuchen die Parteien NEOS mit Gerald Loacker als Sozialsprecher und auch die ÖVP mit Andreas Zakostelsky, als Vorsorgesprecher, einiges in Österreich Bewegung zu bringen. Warum das Thema in der Alpenrepublik leider immer noch punktuell behandelt wird, ist vielleicht einfacher mit einem Zitat von Thomas Mann zu beantworten: Tief ist der Brunnen der Geschichte

Albert Reiter: Obwohl die demographischen Daten zu jenen zählen, die man am besten beobachten und prognostizieren kann, werden sie am meisten ignoriert. Glauben Sie persönlich, dass diese Probleme und das Risiko finanzieller Engpässe in den Köpfen der Menschen angelangt ist? 

"Die Sympathie für eine institutionelle Rentenpolitik aus staatlicher und betrieblicher Pension in Kombination mit der dritten Säule, könnte durch entsprechende gemeinsame Maßnahmen und gemeinsame Publikationen gesteigert werden (...)"

Barbara Bertolini: Die kollektiven Lernprozesse der zukünftigen noch nicht bzw. unterversorgten Bevölkerung – also ich spreche hier jetzt nicht von Beamten – laufen insbesondere aufgrund des Niedrigzinsumfeldes in der dritten Säule geradezu in Gegenrichtungen aller Bemühungen der letzten Jahrzehnte. Das sind zumindest meine Beobachtungen. Die Sympathie für eine institutionelle Rentenpolitik aus staatlicher und betrieblicher Pension in Kombination mit der dritten Säule, könnte durch entsprechende gemeinsame Maßnahmen und gemeinsame Publikationen gesteigert werden und somit den Wohlstand in Zukunft für alle sichern. Beispielsweise ist hier Österreichs bekannteste Lobbyistin Karin Keglevich-Lauringer federführend, die derzeit mit viel Engagement und Herzblut das Thema mehr und mehr in die Politik bringt.

Albert Reiter: Bei Ihrem Forum sind auch Vertreter großer Pensionskassen aus der Schweiz, Norwegen und aus Deutschland. Wer hat letztendlich das bessere System und kann in Bezug auf die Altersvorsorge etwas vom Anderen lernen?

Barbara Bertolini: Es ist ein Paradoxon. Beispielsweise sieht in Deutschland die Fraktionsvorsitzende von Die Linke, Dr. Sahra Wagenknecht, das österreichische Altersvorsorgesystem als absolutes Vorbild und zieht dies immer wieder in ihren Reden als Beispiel für ein einwandfrei funktionierendes System heran. Wir in Österreich wiederum versuchen uns doch etwas am Fortschritt der Deutschen oder auch am Schwedischen Modell zu orientieren. Beispielsweise gilt die Schweiz international als leuchtendes Beispiel für eine Ausgewogenheit aller drei Säulen. Insbesondere auch die Reform „Altersvorsorge 2020“, wo eben die Last der Finanzierung in Zukunft nicht zu stark auf die Jungen übertragen werden soll. Ein Austausch aller Länder ist von großer Relevanz sowohl in politischer Hinsicht, respektive in Bezug auf eine Sozialpartnerschaft zwischen Staat und Betrieb, als auch im Bereich Kapitalanlage.

Rückblick: Einige Impressionen des Internationalen Altersvorsorge- und Investorengipfels 2016 (09.-10. Juni 2016, Wien) hat Ihnen e-fundresearch.com in nachfolgender Fotogalerie zusammengefasst:

Albert Reiter: Stichwort Kapitalanlage. Wie gehen die Pensions- und Vorsorgekassen in Österreich mit dem Niedrigzinsumfeld um? Was können Sie beobachten?

Barbara Bertolini: Seit 1991 konnten die Pensionskassen jährlich einen Ertrag von 5,6 Prozent erwirtschaften. Ein nicht geringer Teil des Erfolgs hängt auch von der Auswahl des Asset Managers ab. Daher freue ich mich auch ganz besonders, dass ich anerkannte und erfahrene Häuser im Institutionellen Bereich wie Fidelity, Pimco oder auch den Spezialfondsmanager AviaRent für die Herbstkonferenz gewinnen konnte. Somit kann auch in Bezug auf die Veranlagung ein konstruktiver und für den institutionellen Investor bereichernder Dialog auf höchstem Niveau geführt werden.

Albert Reiter: Wo müssten Ihrer Meinung nach institutionelle Investoren und Asset Manager ansetzen? 

"Die Optimierung der Kostenstruktur ist immer ein Thema und wird in Zukunft noch wichtiger werden."

Barbara Bertolini: Investoren können wie wir ja wissen, zu einem gewissen Grad die Passivseite steuern. Die Möglichkeiten sind jedoch von der Struktur der Verpflichtungen abhängig. Auf der Aktivseite gibt es eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten. Die Optimierung der Kostenstruktur ist immer ein Thema und wird in Zukunft noch wichtiger werden. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld muss man bei Neuveranlagungen sicherlich auch gut überlegen, ob man mehr Risiko nehmen kann. Die wichtige Frage ist jedoch welche Art von Risiko akzeptabel ist.

Albert Reiter: Und welche wäre das Ihrer Meinung nach?

Barbara Bertolini: Langfristig orientierte Investoren könnten sicherlich in einem gewissen Umfang eine Prämie für Illiquidität erzielen oder auch bis zu einem gewissen Grad Kreditrisiken übernehmen – jedoch nur bei entsprechender Diversifikation. Generell könnten Investoren nicht nur bei Neuveranlagungen diese Überlegungen anstellen, sondern auch das gesamte bestehende Portfolio regelmäßig auf den Prüfstand stellen und unter den aktuellen Marktbedingungen neu bewerten. Es sind nicht nur jene Asset Manager wichtig, die aktuell Mandate verwalten, sondern auch jene, die vielleicht vor ein paar Jahren nicht zum Zug kamen. Diese könnten in den letzten Jahren bessere Ergebnisse geliefert haben als jene Manager, die aktuell im Einsatz sind. Dies festzustellen und laufend zu verfolgen ist sicher nicht einfach. Aber wie Sie ja selbst am besten wissen, kann dies mit Plattformen, wie beispielsweise investRFP.com, bekanntlich schon sehr effizient umgesetzt werden.

Albert Reiter: Sehen Sie in diesem Bereich auch Trends zu einer gewissen Standardisierung in Bereichen wo dies sinnvoll wäre? 

"Es gibt Fragestellungen, die man sicher standardisieren sollte. Dies würde auch wieder Effizienz bringen – auf beiden Seiten nämlich (...)"

Barbara Bertolini: Auf jeden Fall. Es geht auch um Effizienz und um gute Entscheidungsgrundlagen für Investoren. Man muss ja das Rad nicht bei jeder Ausschreibung neu erfinden. Es gibt Fragestellungen, die man sicher standardisieren sollte. Dies würde auch wieder Effizienz bringen – auf beiden Seiten nämlich – beim Investor, der Musterfragen bei Ausschreibungen verwenden könnte und auch beim Asset Manager, der sich besser auf diese standardisierten Fragen einstellen und seine Antworten schneller liefern kann. Es bleiben natürlich immer noch Bereiche, die sehr individuell behandelt werden. Jeder Investor hat schließlich individuelle Anforderungen.

Albert Reiter: Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die nächste Generation das Wohlstandsniveau halten kann?

Barbara Bertolini: Staat und Betrieb – dies wäre ein neues Narrativ, um verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Ein institutioneller Sachwalter, damit meine ich den Gesetzgeber und die Sozialpartner, könnten dafür einstehen und einen neuen Lernprozess etablieren.

Albert Reiter: Danke für das Gespräch!

Hinweis der Redaktion: Weitere Informationen zum Gipfeltreffen sowie über den Institutionellen Altersvorsorge Herbstdialog finden Sie auf www.barbarabertolini.com 
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