Trotz negativer Nachrichten: "Bankensektor in recht guter Verfassung"

Trotz der negativen Nachrichten der letzten Tage – wobei insbesondere die Schlagzeilen über die Deutsche Bank hervorzuheben sind – ist die Kapitalausstattung im Bankensystem laut Mark Burgess, CIO EMEA und Global Head of Equities, Columbia Threadneedle Investments, weitaus besser als vielfach behauptet. Dies gelte insbesondere für die USA, in geringerem Umfang jedoch auch für Europa. Markets | 19.02.2016 09:08 Uhr
Mark Burgess, Columbia Threadneedle
Mark Burgess, Columbia Threadneedle
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

"Nach der globalen Finanzkrise drehte China den Kredithahn auf, um auf einem Wachstumspfad zu bleiben, der als akzeptabel erachtet wurde. So kam es, dass das Kreditwachstum jahrelang doppelt so hoch war wie das BIP-Wachstum. Das bewährte Modell des auf Investitionen beruhenden Wachstums kurbelte die Wirtschaft an, da China umfassend in die Infrastruktur investierte. So wurde die Konjunktur von investitionsorientierten Ausgaben bestimmt. Naturgemäß nahm dieses Wachstum viele der weltweiten Ressourcen in Anspruch und trieb die Rohstoffpreise nach oben. Dies wiederum führte dazu, dass die Produktions- und Explorationstätigkeit in anderen Teilen der Welt anstieg. Angesichts der steigenden Verschuldung war es unvermeidlich, dass China seine Ausgaben drosselte und im letzten Jahr den Übergang zu einem westlicheren Wirtschaftsmodell anstrebte, das stärker vom Konsum angetrieben wird. Gleichzeitig versuchte das Land, die Folgen der Überschuldung in Schach zu halten. Wir im Westen können nur sehr schwer abschätzen, welchen Umfang die Fehlallokation von Kapital hatte, die stattfand, als die Kredithähne bis zum Anschlag aufgedreht waren. Man hört Geschichten von „Straßen, die ins Nichts führen“, von Geisterstädten und von Brücken, die niemand überqueren muss. Wir wissen allerdings, dass es für die kreditfinanzierte Schuldenorgie, die China nun beenden möchte, nur sehr wenige historische Präzedenzfälle gibt – wenn überhaupt. Die eher unbeholfenen Versuche Chinas, den Abschwung und die eigene Neuausrichtung in den Griff zu bekommen, sorgten im vergangenen Sommer an Märkten für Verunsicherung. Die naive Vorgehensweise bei der Umsetzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen untergräbt nach wie vor das Vertrauen, das die Anleger der chinesischen Wirtschaft und dem Finanzsystem des Landes entgegenbringen. Das Wachstum in China kühlt sich ab, und dies in einem schnelleren Tempo als das Land offiziell zugeben wird. Zudem wird China Schulden erlassen müssen, die ihren Ursprung in der immensen Fehlallokation von Kapital im Laufe der letzten Jahre haben. Wir alle sollten China bei diesem Vorhaben viel Glück wünschen.

Die globalen Folgen dieser Entwicklung dürfen nicht unterschätzt werden. Da die Hersteller massiv in die Fertigung investierten, schnellte die weltweite Rohstoffproduktion in die Höhe – insbesondere in den Sektoren Industriemetalle und Energie. Angesichts der immer höheren Preise machten die Unternehmen bislang unwirtschaftliche Herstellungsorte und -formen ausfindig. Dies führte unweigerlich dazu, dass die Unternehmen Darlehen aufnehmen mussten, um ihr Wachstum zu finanzieren. Das beste Beispiel dafür ist die Schieferölproduktion in den USA. Hierbei handelt es sich um eine teure und schwierige Technik, mit der Öl aus dem Erdreich gewonnen wird. Da die Ölpreise kontinuierlich Höchststände erreichten, wurden hohe Beträge in die US-Produktion investiert. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass die Investitionen allein in dieser Branche bei über 150 Mrd. US-Dollar lagen. Der hohe Ölpreis sorgte dafür, dass diese Investition trotz der hohen Produktionskosten sinnvoll erschien. Zweifellos wurde diese Entwicklung auch vom Streben der USA nach Energieunabhängigkeit angetrieben. Einige Jahre später hat sich die Situation jedoch grundlegend gewandelt. Da die Nachfrage in China kollabierte, brachen auch die Preise ein. So liegt der Ölpreis derzeit bei rund 30 US-Dollar pro Barrel. Die Folgen für die Schieferöl-Industrie in den USA sind sowohl unmittelbar als auch verheerend. In Anbetracht der Tatsache, dass der durchschnittliche Förderpreis weitaus höher ist als der heutige Spot-Preis, gibt es jeden Tag Unternehmen, die ihren Betrieb einstellen. Leider haben sich viele dieser Unternehmen am Hochzinsmarkt finanziert, und dies in einem Ausmaß, dass Energieunternehmen zu Spitzenzeiten rund 18 % des US-amerikanischen Hochzinsmarktes ausmachten. Deshalb überrascht es nicht, dass dieser Markt im Zuge der steigenden Zahlungsausfälle (ganz gleich, ob diese real waren oder lediglich erwartet wurden) äußerst schlecht abgeschnitten hat. Wie in China müssen wir uns auch hier mit den Konsequenzen beschäftigen, die mit dieser Fehlallokation von Kapital einhergehen, und uns fragen, wie das Wachstum hiervon beeinflusst wird. Die Frühindikatoren in den USA deuten darauf hin, dass der US-amerikanische Fertigungssektor eine Rezession durchläuft, denn die Folgen des Produktionsrückgangs ergreifen nun nach und nach das ganze System. Ob man nun direkt oder indirekt an der Energieerzeugung beteiligt war: Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben die jeweiligen Unternehmen heute weniger zu tun als früher – worunter Wachstum, Beschäftigung und Vertrauen zu leiden haben.

In diesem Umfeld strebte die US-Notenbank (Fed) die allmähliche Normalisierung der Geldpolitik an und nahm am Ende des Vorjahres zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt eine Zinssteigerung vor. Während das Wachstum in den USA nach wie vor moderat ausfällt, legte die Statistik nahe, dass sich die USA der Vollbeschäftigung nähern. Die US-Notenbank befürchtete, dass dies früher oder später zu einem Inflationsanstieg führen könnte. Das Problem ist nur: Da die weltweite Verschuldung Höchststände erreicht hat, dürfte – wenn überhaupt – das Gegenteil der Fall sein. Die Deflation ist die eigentliche Gefahr für die Weltwirtschaft. Der Einbruch des Ölpreises ist nur einer der deflationären Schocks, die das System belasten. Die bereits erwähnte Kapitalherabsetzung und die Abwertung des Renminbi (sowie die wettbewerbspolitisch motivierten Abwertungen, die andernorts angestrebt wurden) haben weltweit unentwegt deflationäre Impulse freigesetzt und das Vertrauen der Anleger untergraben – und dies zu einem Zeitpunkt, an dem der Markt labil und eine Verknappung der Liquidität festzustellen ist. Insofern ist es vielleicht kein Wunder, dass sich an Märkten Angst breitmachte und Risikoanlagen in den Keller rutschten.

Und die guten Neuigkeiten?

Der sinkende Ölpreis hat die Kaufkraft westlicher Verbraucher kräftig angekurbelt. Da der Konsum 60 % bis 70 % des BIP im Westen ausmacht, erhält die potenzielle Wirtschaftstätigkeit dadurch einen echten Auftrieb. Erste Anzeichen sprechen dafür, dass ein bedeutender Teil des höheren verfügbaren Einkommens angespart wird. Irgendwann werden die Verbraucher jedoch beginnen, ihr Einkommen auszugeben.

Trotz der negativen Nachrichten der letzten Tage – wobei insbesondere die Schlagzeilen über die Deutsche Bank hervorzuheben sind – ist die Kapitalausstattung im Bankensystem weitaus besser als zu Beginn der globalen Finanzkrise. Dies gilt insbesondere für die USA, in geringerem Umfang jedoch auch für Europa. Ein „Lehman“-Fiasko wie im Jahr 2008 – das ich weder für wünschenswert noch für wahrscheinlich halte – haben wir jedoch nicht zu befürchten, da das Finanzsystem von heute viel stärker ist als damals. Die Aussichten für die Rentabilität der Banken gestalten sich angesichts des niedrigen Zinsumfelds zweifellos trübe. Die Kreditinstitute dürften jedoch über ausreichend Kapital verfügen, um die unvermeidlichen Abschreibungen zu verkraften, die wir im Zuge dieser Nebenwirkungen verzeichnen werden.

Wie steht es um die Märkte? Die Zinsen werden in absehbarer Zeit nicht steigen, so viel steht fest. Davon werden Anlagen mit einer langen Duration profitieren (z. B. Aktien). Die Renditen von Anleihen werden auf ihrem niedrigen Niveau verharren. Deshalb dürften sich die Anleger ertragreichen Anlagen wie Anleihen und Aktien zuwenden. Darüber hinaus dürfte in den Industriestaaten weiterhin ein moderates, aber positives Wachstum zu verzeichnen sein, auch wenn dies niedriger ausfallen wird als zuvor erwartet. Dieses ganze Intermezzo soll uns an etwas erinnern, was wir eigentlich schon immer wussten, aber von Zeit zu Zeit gerne vergessen: Die Folgen der globalen Finanzkrise waren für die Weltwirtschaft so einschneidend und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung so außergewöhnlich, dass mehrere Jahre oder sogar mehrere Generationen erforderlich sind, um diese Folgen zu mindern. Hinzu kommt, dass Wachstum, Inflation und Zinsen weltweit noch jahrelang auf ihren niedrigen Niveaus verharren werden. Fazit: Weitermachen!"

Mark Burgess 
CIO EMEA und Global Head of Equities 
Columbia Threadneedle Investments


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