Frontiermärkte locken mit Aufholpotenzial

Im Interview mit e-fundresearch.com ortet Oliver Bell, Frontier Markets Fondsmanager aus dem Hause T. Rowe Price, viel Potenzial: "Die Frontiermärkte hinken der Risk-on-Rally, die wir in den Emerging Markets / Schwellenländern über die letzten anderthalb Jahre gesehen haben, hinterher – obwohl Unternehmen der Frontiermärkte solide Ergebnisse erzielten" Managers | 09.10.2017 14:37 Uhr
Oliver Bell, Portfoliomanager Frontier Markets Equities Strategy und Middle East & Africa Strategy, T. Rowe Price / ©  T. Rowe Price
Oliver Bell, Portfoliomanager Frontier Markets Equities Strategy und Middle East & Africa Strategy, T. Rowe Price / © T. Rowe Price
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
e-fundresearch.com: Was lernen Sie persönlich aus der bisherigen Marktentwicklung im Jahr 2017?

Oliver Bell:
Was ich von den diesjährigen Marktentwicklungen mitnehme, ist ein erneuerter Sinn für Geduld. Das heisst, sich auf längerfristige und qualitativ hochwertige Anlagemöglichkeiten zu konzentrieren, anstatt in die kurzfristige Begeisterung verstrickt zu sein, der alle globalen Aktienmärkte – einschliesslich die Frontiermärkte – ausgesetzt sind. In diesem Jahr war der kuwaitische Markt von grosser Aufregung geprägt. Grund dafür ist, dass der FTSE plant, Kuwait in seinen Emerging Markets Index aufzunehmen, wobei die definitive Entscheidung am 29. September fällig ist. Wir haben kuwaitische Aktien seit einiger Zeit untergewichtet und sind nicht besonders zuversichtlich, was die dortigen Möglichkeiten anbelangt. Denn – wie auch unsere kürzliche Research-Reise bestätigt – haben wir Mühe, in diesem Land qualitativ hochwerte Management-Teams und attraktive Bewertungen zu finden. Anstatt uns also in einige der Indexschwergewichte zu stürzen und die Fundamentaldaten aus den Augen zu verlieren, sind wir geduldig und konzentrieren uns auf die vielversprechendsten, langfristigen Anlagemöglichkeiten. e-fundresearch.com: Wann haben Sie die Verantwortung für die Verwaltung der Portfolios der Frontiermärkte übernommen und wie hat sich das Universum in dieser Zeit verändert?

Oliver Bell: Ich habe die Frontier Markets Equity Strategy von T. Rowe Price seit ihrer Einführung im Juni 2014 geführt. Bei der Entscheidung, den Fonds zu lancieren stellten wir fest, dass die Frontierländer Ähnlichkeiten mit Schwellenländern der späten 90er Jahre aufweisen, wie der Demokratie-Status, das Investitionsniveau, die demografische Entwicklung, die zunehmende Urbanisierung, das nominale BIP-Niveau, das BIP pro Kopf und die sehr geringe Marktkapitalisierung. Sichtbare positive Veränderungen in den Frontier-Wirtschaften zusammen mit verbesserten politischen Bedingungen vermochten es in den letzten drei Jahren, die Investitionsniveaus zu steigern – was wiederum zu einem höheren BIP-Wachstum führte. Pakistan ist ein solches Beispiel; das Land wurde Ende Mai in den MSCI Emerging Markets Index aufgenommen, da der Aktienmarkt kaum mehr gewichen werden konnte und die Politik friedlicher wurde. Da sich die makroökonomischen Rahmenbedingungen in diesen Ländern weiter verbessern, ist davon auszugehen, dass die Frontiermärkte eine deutlich höhere Marktpräsenz erlangen werden.

e-fundresearch.com: Welches sind die wichtigsten Schritte in Ihrem Anlageprozess und in welchem Bereich können Sie Investoren einen Wettbewerbsvorteil bieten?

Oliver Bell:
Im ersten Schritt berücksichtigen wir das gesamte Universum der Frontiermärkte, also alle Länder des MSCI Frontier Markets Index sowie alle Länder, die nicht in den Emerging oder Developed MSCI Indizes enthalten sind. Ausgehend davon führen wir qualitative Analysen durch, um Unternehmen auszusondern, die in Märkten mit vielfältigen mikroökonomischen Schwierigkeiten agieren. Nachdem wir dies getan haben, ist es an der Zeit, regelmässig in diese Länder zu reisen, um Investitionsideen zu generieren. Im letzten Jahr haben das Team und ich mehr als 25 verschiedene Länder besucht. Dort treffen wir uns mit Managementteams, lokalen Ökonomen und Politikberatern. So können wir zum Beispiel Verbrauchertrends analysieren und dabei aufdecken,, dass es sich um einen unterversorgten Markt handelt, der Marktführern Spielraum bietet, neue Ertragswachstumspotenziale zu erschliessen. Wir würden in diesem Fall Konsumgüteranbieter untersuchen, die von diesem Wachstum profitieren könnten. Dazu gehört die Analyse der Marktanteile, Unternehmensfinanzen und des Managements. Sobald wir ein Unternehmen identifiziert haben, führen wir weiteres fundamentales Research durch, was sowohl Gespräche mit der Unternehmensleitung als auch deren Muttergesellschaften einschliesst. Im Anschluss berücksichtigen wir zusätzliche Makroeinblicke von unseren Analysten mit regionalem Fokus sowie auch ESG-Faktoren, da sie ein wichtiger Bestandteil unseres Bottom-up-Research-Prozesses sind. Haben wir eine Anlagemöglichkeit gefunden, diskutieren wir darüber und ich treffe die endgültige Entscheidung. Unser Wettbewerbsvorteil resultiert aus unserem engagierten Frontiermärkte-Analystenteam, das sich ausschliesslich auf Anlagemöglichkeiten in diesen Märkten konzentriert – etwas ziemlich einzigartiges im Konkurrenzvergleich.   

e-fundresearch.com:  Welche besonderen Herausforderungen gibt es für die Frontiermärkte im aktuellen Umfeld?

Oliver Bell:
Die Wirtschaften vieler Frontiermärkte befinden sich in ihrer Anfangsphase. Es ist deshalb zentral, die potenziellen Risiken genau im Auge zu behalten. Wir haben eine Handvoll kurzfristiger Risiken identifiziert, die bei korrekter Steuerung aber auch Chancen bieten könnten. Zwar lösen sich viele Frontiermärkte von der Rohstoffabhängigkeit, doch ist dies häufig eine kontinuierliche Anpassung. Deshalb wirken sich tiefe oder volatile Öl- und Rohstoffpreise nach wie vor auf Staats- und Unternehmensbilanzen aus. Ein Beispiel dafür ist der Netto-Ölexporteur Nigeria, wo die Unternehmen den Rückgang des Ölpreises noch nicht korrigiert haben und im Schnitt von einem Breakeven-Ölpreis von USD 139 pro Barrel ausgehen – obwohl der Ölpreis Ende Juni näher an der USD 50 Marke notierte. Gut auf Öltrends abgestimmt zu sein, hat sich für die Strategie bewährt. Obwohl es sich bei den meisten Frontiermärkten um Öl-Importeure und nicht -Exporteure handelt, ist der Index stärker auf Exporteure ausgerichtet. Dies macht den Ölpreis für die Anlageklasse zu einem Hauptrisiko. Der Schlüssel, um den Markt outzuperformen, ist es, die Treiber hinter gelegentlichen ölbezogenen Krisen und anderen Ereignissen zu verstehen. Dass unsere Strategie in der Lage war, den Ölpreiseinbruch im Jahr 2015 zu meistern – im Gegensatz zu Konkurrenten und passiven Strategien, die in Schwierigkeiten gerieten – beweist dies.   

e-fundresearch.com: Inwiefern konnte Ihre Strategie in diesem Jahr vom Marktumfeld profitieren und welche Anlagethemen haben bisher den grössten Beitrag zur Performance geliefert?

Oliver Bell:
Es gibt eine Vielzahl an Faktoren, die in diesem Jahr zur Performance beigetragen haben. Aber im Wesentlichen sind es einzelne Aktien, welche die Leistung vorantreiben. In Vietnam beispielsweise, das seit langem zu unseren bevorzugten Märkten zählt, führten zwei unserer Off-Benchmark Positionen, die DHG Pharmaceutical und die Military Commercial Stock Bank, die Liste der wichtigsten Performancetreiber an. Erstere lockerte die Beschränkung der Höhe ausländischer Investitionen, welche zur Finanzierung eines Modernisierungsprogramms beitragen soll, während letztere gute Ergebnisse erzielt und die Zukunftsprognose angehoben hat.

Ein Highlight dieses Jahr waren die Banken der Frontiermärkte, besonders in Wirtschaften wie Argentinien, in denen die Inflationen langsam sinkt und Nachholbedarf an Krediten besteht. Bei unserer Wette in qualitativ hochwertiges Bankgeschäft, hat sich die Grupo Galicia besonders gut bewährt. Denn die Gruppe profitiert vom verbesserten Ausblick für die Kreditrückzahlungen, die durch die verstärkte Unterstützung für die Regierung von Präsident Macri zustande kommt. In Bangladesh setzen wir in erster Linie auf die Brac Bank, die dank des beeindruckenden Kreditwachstums schnell wächst und ihre Geschäftstätigkeit in diesem Jahr erneut ausbaut.

Im Nahen Osten setzt sich der Trend fort, inländische Universitäten jenen der USA und Europas vorzuziehen. Dies verleiht besonders dem Kuwaiter Bildungsanbieter Human Soft, der die American University of the Middle East und das American College of the Middle East besitzt und betreibt, Auftrieb. Seit wir die Aktie Anfang dieses Jahres nach einer Recherchereise nach Kuwait und viel darauffolgender Arbeit ins Portfolio aufgenommen haben, hat sie sich gut entwickelt.

e-fundresearch.com: Im Hinblick auf den Rest des Jahres 2017: Wie optimistisch ist Ihr Ausblick und auf welche Hindernisse bzw. Herausforderungen sollten sich Investoren vorbereiten?

Oliver Bell:
Solide Renditen über die letzten fünf Kalenderjahre, zusammen mit einem anhaltenden säkularen Wachstum und geringer Korrelation zum globalen Zyklus, lenken weiterhin viel Aufmerksamkeit auf Anlagemöglichkeiten, die bisher weitgehend übersehen wurden. Die Indikatoren haben sich in den letzten Monaten stark verbessert, und die Wechselkurse scheinen wettbewerbsfähiger zu sein. Somit gibt es sowohl für den kurz- als auch für den langfristigen Ausblick genügend ermutigende Nachrichten. Mit Blick auf einzelne Wirtschaften hat Präsident Macri durch seine Reformagenda das Investoreninteresse in Argentinien erfolgreich erneuert und Rekordstände von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) erreicht. Es gibt zunehmend Anzeichen für eine allmähliche Wiederbelebung des inländischen Wachstums, was die Position Macri’s und seine Regierungsfähigkeit unterstützen dürften, wenn es im Oktober auf die Zwischenwahlen zugeht.

In einigen wichtigen Volkswirtschaften Afrikas haben sich die Wachstumsdaten zwar abgeschwächt, doch bleibt die demografische Entwicklung günstig und allmähliche Verbesserungen der globalen Nachfrage sowie der Rohstoffpreise dürften den Weg für ein beschleunigtes Wachstum in diesem Jahr ebnen. Nigeria steht vor einem Mix an Herausforderungen. Die jüngsten Wechselkursreformen und neue Infrastrukturprojekte dürften in diesem Jahr aber zu einer schrittweisen Erholung führen, wobei eine verstärkte Reformdynamik und nachhaltige Ölproduktion notwendige Stützen sein werden.

e-fundresearch.com: Warum sollten Anleger im aktuellen Umfeld über eine Erhöhung der Allokation in Ihre Anlageklasse und insbesondere in Ihre Strategie nachdenken?

Oliver Bell:
Wir glauben, dass die Frontiermärkte einen – wenn aufgrund der erhöhten Risiken auch kleinen – Platz im Portfolio eines globalen Investors verdient haben. Die makroökonomischen Grundlagen und die Demografie vieler Frontiermärkte sind heutzutage günstiger als in entwickelten und aufstrebenden Märkten. Zum Beispiel sind fast 60 Prozent der Gesamtbevölkerung im Frontieruniversum unter 30 Jahre alt – junge Arbeitskräfte, die zu BIP-Wachstumsraten von 6-9 Prozent verhelfen sollten, weil sie sich in eine solide Konsumenten-Mittelschicht entwickeln werden.

Die Bewertungen der Frontiermärkte sind im Vergleich zu anderen globalen Aktienklassen weiterhin attraktiv. Die Frontiermärkte hinken der Risk-on-Rally, die wir in den Emerging Markets / Schwellenländern über die letzten anderthalb Jahre gesehen haben, hinterher – obwohl Unternehmen der Frontiermärkte solide Ergebnisse erzielten. Unser fachkundiges und engagiertes Team strotzt nur so von Aktienideen. Mit der zusätzlichen Unterstützung einer erstklassigen globalen Research-Plattform hoffen wir, weiterhin Mehrwert für unsere Kundenportfolios schaffen zu können.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bell!

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