„Eine Einschätzung zu der erwarteten weiteren Entwicklungen der Yukos-Krise ist derzeit kaum möglich, da sich die Ereignisse täglich verändern. Darüber hinaus ist die Angelegenheit völlig unvorhersehbar und Yukos als Aktie derzeit kaum bewertbar“, so Jürgen Kirsch, Fondsmanager des langfristig besten Osteuropa-Aktienfonds Griffin Eastern European. An Theorien über den möglichen Ausgang der Yukos-Krise will man sich bei Griffin Capital Management gar nicht erst beteiligen: „Denn unsere Investitionsentscheidungen treffen wir nicht auf einer solchen Basis“. Die jüngste Mitteilung, dass Khodorkovsky seine etwa 45-prozentige Beteiligung als Vergleichsangebot Yukos bzw. der Regierung zur Verfügung stellen würde (allerdings gegen eine noch zu bestimmende finanzielle Entschaedigung durch Yukos in den nächsten drei bis fünf Jahren), deuten laut Kirsch jedoch darauf hin, dass eine Lösung des Konfliktes bevorstehen könnte „Für den gesamten russischen Aktienmarkt wäre das natürlich enorm positiv“.
Charlemagne Capital - das mit dem Magna Russia den anhand der Sharpe Ratio in den letzten 12 Monaten erfolgreichsten Russland-Aktienfonds im Angebot hat – betont vor allem die weiterhin guten fundamentalen Daten aus Russland: „Die realen Wirtschaftsdaten sind eindeutig positiv, doch hat derzeit die Psychologie den russischen Finanzmarkt fest im Griff“, schildert Fondsmanager Stefan Böttcher. Und: „Es ist derzeit eindeutig festzustellen, dass seitens der Autoritäten der politische Wille für einen Kompromiss fehlt, weshalb die Gefahr einer Insolvenz und gleichzeitigen Zerschlagung des Unternehmens sehr akut sind. Es mehren sich Tendenzen, dass der Kreml die Kontrolle über Yukos übernehmen möchte“, lautet die wenig erfreuliche Prognose des Experten. Generell seien die Aussichten der russischen Unternehmen aber nicht eingetrübt, weshalb für fundamental orientierte Anleger kein Grund zur Besorgnis besteht.
Ähnlich auch die Einschätzung der Lage eines Schwellenländer-Anleihenexperten: „Der Fall Yukos ist sicherlich isoliert zu betrachten. Auch eine Zerschlagung des Konzern darf nicht als generelle Tendenz in diese Richtung verstanden werden“, so Stefan Amenda, Fondsmanager des Activest Lux Emerging Bond. „Präsident Putin will seine hochgesteckten wirtschaftlichen Ziele weiterhin erreichen und wird sich abschwächende ausländische Direkt- und Portfolioinvestitionen nicht leisten können, so Amenda, der deswegen weiterhin in russischen Anleihen übergewichtet bleibt.
Etwas ernster sieht Roman Swaton, Fondsmanager des ESPA Bond Emerging-Markets die Lage: „Während sich der makroökonomische Datenkranz Russlands positiv darstellt, ist die Angelegenheit Yukos mehr als bloß ein Störfaktor. Sie konterkariert die Bemühungen, strategische Auslandsinvestoren in das Land zu locken, um den wirtschaftlichen Aufschwung auf eine breitere Basis als nur den Rohstoffsektor zu stellen“, so der Experte der ERSTE Sparinvest. „War schon die Monetisierung der Pariser Club-Schulden Russlands durch Deutschland ein den Anleihenkursen abträglicher Faktor, treibt aktuell eine mittlere Bankenkrise das Marktgeschehen. Hier handelt es sich allerdings um ein wirkliches Strukturproblem, denn Russland hat über 1300 kleine Banken mit großteils mangelhafter Kapitalausstattung. Angesichts des aktuellen Geschehens wird die Dringlichkeit der Reform des Bankensektors offensichtlich, was mittelfristig dann sogar positive Effekte zeitigen könnte“, bewertet Swaton die Lage dann schließlich doch als positiv.
Und auch John Hatherly, Head of Global Analysis bei M&G Investments, sieht die Lage eher als Chance: “Der Einsatz ist für Putin hoch. Denn Yukos - das pro Tag 1,6 Mio. Barrel Öl fördert - ist Russlands führender Ölexporteur. Jede Bedrohung für die Investitionen in die russische Ölbranche hätte schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft des Landes. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass Putin einen Ausweg aus dem Yukos-Dilemma finden wird und den westlichen Investoren versichert, dass seine Regierung rechtsstaatlich agiert. Dies würde sogar eine Rally auf dem russischen Aktienmarkt auslösen und neue Investitionen in die russische Ölindustrie nach sich ziehen“, prognostiziert er.