Österreichs Kapitalmarkt - Einäugiger unter den Blinden?

Was sind die Gründe dafür, dass Wien sich weiterhin gegen den internationalen Trend stemmt und nach Russland und Thailand die Börse mit der drittbesten Performance dieses Jahr ist? Wie geht es weiter und warum könnten die Bilanzierungspraktiken in Osteuropa dieser Entwicklung ein schnelles Ende bereiten? Antworten darauf gab Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank AG, bei einem aktuellen Pressegespräch. Funds |

Kehrseiten des Shareholder-Value

Tagtäglich führen neue Meldungen über Bilanzfälschungen und drohende Insolvenzen, zuletzt bei Worldcom, international zu massiven Panikverkäufen. "Die jahrzehntelange Forderung nach „investorenfreundlichen“ Gewinnzuwächsen sowie die fast neurotische Fixierung auf Quartalsgewinne hat eine bittere Nebenwirkung mit möglicherweise langer Wirkungsdauer", gibt Birgit Kuras, Chefanalystin und Leiterin der Abteilung Equity Capital Marktes der Raiffeisen Centrobank AG, bei einem aktuellen Pressegespräch zu bedenken.

Gläubigerschutz als Airbag gegen Kursverluste

Ein Markt scheint sich aber weiterhin gegen diesen Trend zu stemmen: Wien. "Ist Österreich´s Kapitalmarkt also der Einäugige unter den Blinden?" Denn gerade die seit Jahrzehnten als investorenfeindlich, weil gläubigerschutzorientierte, verschmähte österreichische Rechnungslegung komme unserem Markt derzeit zumindest schmerzdämpfend zu Hilfe. Kuras beantwortet sich die Frage dann auch gleich selbst: "Weder einäugig noch blind, fest steht allerdings, dass Österreichs Kapitalmarkt nach wie vor durch das hausgemachte, u.a. steuerliche, Umfeld gehemmt ist und die internationalen Märkte das in krisenhaft erlebten Phasen übliche überschießende Verhalten zeigen." Gleichzeitig lobt sie die österreichischen Unternehmen. Diese haben in den letzten Jahren strategisch richtig gehandelt – den allgemeinen Ängsten wird sich die Wiener Börse aber trotzdem nicht ganz entziehen können.

Normales Umfeld „intakt“

Weiters sei, so Kuras, das normale Umfeld intakt: Die wirtschaftliche Erholung läuft langsam an und sollte aufgrund der positiven Vorlaufindikatoren zunehmend an Fahrt gewinnen. Mit einem prognostizierten BIP-Wachstum für 2002 von einem Prozent orientiert sich Österreich zwar an den Schlusslichtern in Europa, für 2003 werden aber wieder 2,6 Prozent erwartet. Bremsende Effekte sieht Kuras in der schwachen Weltkonjunktur und dem starken Euro, der die Exportdynamik schwäche. Die Gewinne der ATX-Unternehmen (berücksichtigt entsprechend der Indexzusammensetzung) sollten heuer aber sogar um 80 Prozent höher liegen als letztes Jahr, so die Chefanalystin. Ohne die in einer Sondersituation stehende RHI zu berücksichtigen, sollte das Gewinnwachstum des Index immer noch rund 28,4 Prozent betragen.

ATX im internationalen Vergleich (noch immer) fair bewertet

Betrachtet man die aktuelle Bewertung des österreichischen Aktienmarktes im Vergleich zum Renditeniveau (Gewinnrendite minus Rentenrendite), so fällt auf, dass der Indikator nun an der unteren Bandbreite der letzten fünf Jahre angestoßen ist. Ein Wert von cirka Eins bedeutet, dass die Gewinnrendite (Gewinne/Kurs) des österreichischen Aktienmarktes nur noch um einen Prozentpunkt höher liegt, als die Rendite der 10-jährigen Anleihen. Dieser Wert wurde in den letzten fünf Jahren nur knapp vor Ausbruch der Russlandkrise im Jahr 1998 erreicht, als der ATX bei rund 1600 Punkten stand. Auch der Vergleich der Kurs/Gewinn-Verhältnisse (KGV) von ATX und DJ Euro Stoxx Small Index zeigt eine geringfügig höhere Bewertung des ATX 2002 (KGV von 16,9 vs. 15,8). Berücksichtigt man jedoch das höher erwartete Gewinnwachstum des ATX im nächsten Jahr, so ergibt sich ein KGV von 12,6 für den ATX vs. 12,8 für den DJ Euro Stoxx Small. "Damit spiegelt sich auch auf Marktebene die faire Bewertung im Vergleich zu anderen Small-Cap-Indizes wider", so Kuras.

Bilanzierungspraxis in Osteuropa entscheidend

Die weitere Entwicklung der österreichischen Aktien Börse hängt laut Kuras aber davon ab, ob die Wiener Börse - sozusagen durch die Hintertür - dennoch in den Abwärtsstrudel der krisengeschüttelten Leitbörsen gezogen wird. Denn die Bilanzierungspraxis in Osteuropa orientiert sich laut Kuras an den US-Standards. Sollten in der Region unerlaubte Manipulationen wie bei Enron oder Worldcom zu Tage treten, könnte auch der heimische Aktienmarkt von der Vertrauenskrise erfasst werden.  Mir ist aber nicht bekannt, wie aggressiv die Bilanzierung in Osteuropa betrieben wird", so Kuras über das Risiko, das gewissermaßen die Kehrseite der Ostfantasie darstellt. Schließlich habe die Wiener Börse vom Thema Ostkonvergenz der EU-Beitrittskandidaten deutlich profitieren können.

ATX am Jahresende bei 1350 Punkten

Noch stärker hängt die Entwicklung des ATX laut Kuras von der Performance der kleinen Value-Werte Europas ab. "Für die ATX-Prognose des dritten Quartals ist daher die Einschätzung der Value-Aktien und der Small Caps entscheidend", beruhigt die RCB-Chefanalystin angesichts des Kursdebakels internationaler Blue Chips. Nach einem schwachen Start ins dritte Quartal soll der ATX - getragen von den Sektoren Grundstoffe, Telekom und Versorger - bis September auf 1.280 Punkte steigen. Die RCB-Prognose für Dezember 2002 liegt bei 1.350 Zählern.

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