Finanzsystem ist zu komplex

Korrekte Informationen und Transparenz sind wichtige Bausteine eines funktionierenden Finanzmarktes. Dies betrifft Unternehmen, Regierungen, Behörden und Staaten gleichfalls. Seit Beginn der Finanzkrise wurden die Schwächen deutlich sichtbar. Funds | 18.05.2010 09:45 Uhr
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Paul Volcker fordert eine Vereinfachung des Finanzszstems und Kenneth Rogoff sieht nur einen sehr mühsamen Ausweg, der noch Jahre dauern kann.

Trotz steigender Anforderungen an Compliance und Reporting Abteilungen in Finanzinstitutionen, wachsender Aufwendungen für Administration und umfangreicherer Veröffentlichungspflichten für Kundenberater und Investoren scheint der Finanzmarkt hinsichtlich aussagekräftiger Informationen und Transparenz noch nicht optimal zu funktionieren. Vor dem Hintergrund der aktuellen Euro-Schwäche und der Schuldenkrise europäischer Staaten wird vergessen, dass bereits vor Jahren im Zusammenhang mit der Pflicht zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien über "kreative Buchhaltungstechniken" der Staaten berichtet wurde. Die Probleme waren bekannt, wurden jedoch nicht gelöst, sondern in die Zukunft verschoben. Auch der schonende Umgang mit Sanktionen gegenüber Staaten, die die Maastricht-Kriterien nicht erfüllten, war kontra-produktiv und hatte ein "Moral Hazard-Problem" auf Seiten der Staaten erzeugt - vergleichbar mit den Problemen im Bankensektor vor ein paar Jahren, wo die Schaffung der Kategorie "too big to fail" eine Einladung zur nochmaligen Erhöhung des Risikos war und weniger als Impuls für die Selbtbeschränkung interpretiert wurde.

Vereinfachung des Finanzsystems gefordert

Wie die aktuellen Finanzkrisen am besten gelöst werden können und wie man das globale Finanzsystem in der Zukunft besser aufstellen könnte, ist sehr umstritten. Die reflexartige Forderung in Europa nach einer effizienten Regulierung der Hedge Fonds greift auf jeden Fall zu kurz. Auch die Einführung von Transaktionssteuern in mehreren Ländern erscheint nicht leicht erreichbar zu sein, da die Detailfragen hinsichtlich der Definition der Steuerbasis sehr komplex sind.

Der frühere Federal Reserve Chairman Paul Volcker hatte zuletzt die Vereinfachung von komplexen Finanzprodukten und derivativen Instrumenten vorgeschlagen. Dies könnte auch nach Einschätzung des Ökonomen Kenneth S. Rogoff durchaus Vorteile für Marktteilnehmer bringen. In seiner Präsentation im Rahmen der 63. CFA Institute Annual Conference in Bosten bezeichnete er eine Vereinfachung des Finanzsystems als positiven Schritt. 

Kenneth S. Rogoff ist aktuell der Thomas D. Cabot Professor of Public Policy und Professor for Economics an der Harvard University. Rogoff war zuvor Chefökonom und Director of Research beim IWF und auch Director of Research am Center for International Development in Harvard. Das aktuellste Buch wurde gemeinsam mit Carmen M. Reinhart im Oktober 2009 publiziert und trägt den Titel "This Time is Different", das auch bereits in einer deutschen Ausgabe verfügbar ist.

Professor Rogoff hatte sich bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzkrisen beschäftigt und war auch in seiner Zeit beim Internationalen Währungsfonds in diverse Unterstützungsprogramme direkt eingebunden. Die Grundidee für das neue Buch war die Schaffung einer umfangreichen quantitativen Datenbank zu Finanzkrisen, Staatsbankrotten und den Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Rogoff und sein Team arbeiteten rund acht Jahre an diesem Buch. Teile daraus wurden bereits in Form von Beiträgen in akademischen Publikationen veröffentlicht.

Wichtige Lehren aus Finanzkrisen

Rogoff beleuchtete im Rahmen seiner Präsentation eine Reihe von Punkten und Themenbereichen, die bei der Lösung der aktuellen Probleme im europäischen Finanzsystem berücksichtigt werden sollten bzw. in der Vergangenheit zuwenig beachtet wurden. 

Nicht nur Europa befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation, sondern auch die USA kämpfen mit einer ernsten Schuldenkrise und folgen exakt auf den Weg, der schon sehr oft in früheren Finanzkrisen beobachtet werden konnte, wie sich aus den jahrelangen Forschungsarbeiten von Rogoff über einen Zeitspanne von bis zu acht Jahrhunderten zeigen. Fast immer ist die Schuldenkrise eines Staates die Spätfolge einer Bankenkrise in diesem jeweiligen Land. Rogoff: "Dieses Phänomen war in fast allen Finanzkrisen in der Vergangenheit feststellbar. Dies hatten wir bereits sehr frühzeitig publiziert." Der Hauptgrund ist, dass sich in Zeiten einer Finanzkrise die Schuldenstände stark erhöhen. 

Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass Finanzkrisen dann schlagend werden, wenn zwei Komponenten aufeinandertreffen: hohe Schulden und Volatilität. Nur bei grossen Schwankungen werden Fehlentwicklungen sichtbar und damit zum Problem. Deswegen ist es auch in Zeiten positiver Kursentwicklungen so schwierig, auf Fehler aufmerksam zu machen, da diese noch nicht sichtbar sind.

Der Euro als Währung wird überleben. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass einige Länder für einen bestimmten Zeitraum ein "Sabbatical" einlegen müssen und eine Restrukturierung der Schulden von Griechenland sinnvoll wäre, da nach mehreren Jahren in einer Rezession dies ohnehin notwendig sein könnte. 

Der Ausweg aus der Eurokrise wird ein äusserst schwieriger, vor allem dann, wenn die Probleme einmal mehr aufgeschoben werden. Osteuropa ist nach Einschätzung von Rogoff nach wie vor sehr gefährdet, vor allem wenn man davon ausgeht, dass ein Beitritt zur Eurozone akuell für zusätzliche Länder längere Zeit unmöglich sein wird und damit jedoch das Risiko eines Staatsbankrotts in Osteuropa steigt. Interessanterweise halten griechische Banken auch höhrere Bestände an osteuropäischen Anleihen. 

Die traditionellen Parameter zur Bestimmung des Risikos von Staaten sind wie folgt: 60 Prozent externe Schulden (private und öffentliche Schulden) gemessen zum BIP. Private und öffentliche Schulden wurden deshalb kombiniert, weil in Krisenzeiten der Privatsektor sehr oft vom jeweiligen Staat gerettet wird. Der zweite wichtige Parameter sind 90 Prozent öffentliche Schulden des Zentralstaates (ohne Gemeinden, Länder, etc.) gemessen am BIP. Werden diese beiden Parameter deutlich überschritten, wird das Wirtschaftswachstum stärker beeinflusst. Dabei ist es nahezu unerheblich, ob eine entwickelte Volkswirtschaft oder ein Schwellenland betrachtet werden.

Ein sehr grosses Problem könnte die fehlende Transparenz hinsichtlich der Off-Balance-Sheet Transaktionen der Staaten sowie das wachsende Garantievolumen werden. Diese sind nicht kapitalisiert und werden auch nicht systematisch erfasst und laufend beobachtet. Nicht nur die umfangreiche Garantie der Spareinlagen in Banken, sondern auch Verpflichtungen der Staaten gegenüber dem IMF, speziellen Zweckgesellschaften und sonstigen Institutionen zählen dazu.

Hinsichtlich der Notwendigkeit zur umfangreicheren Regulierung sieht Rogoff auch beide Seiten der Medaille. Gefragt ist in Zukunft bessere Regulierung und nicht mehr oder weniger Regulierung.

Die USA befinden sich derzeit in einem Aufschwung, der jedoch zu gering ausfällt. Rogoff: "Wir sehen Trendwachstum in den USA, würden jedoch mindestens das doppelte Trendwachstum benötigen." Dies wäre nach Ansicht von Rogoff ein sehr schwacher Aufschwung nach einem heftigen Schock.

China is different

Für Rogoff zählt China zu jenen Ländern, die nahezu alle Faktoren mitbringen, um eine Krise zu verhindern und damit dem Titel des Buches "This time is different" voll entsprechen. Aufgrund der Grösse und des Wachstumspotenzials sowie der Gestaltungsmöglichkeit im Land selbst hält China alle wichtigen Zügel in der Hand.

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