3 Szenarien für die Entwicklung Griechenlands

Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater der Vermögensanlagebank direktanlage.at, analysiert drei mögliche Szenarien, wie es in Griechenland weiter gehen könnte. Seinen Kommentar finden Sie im Folgenden: Funds | 07.05.2010 09:26 Uhr
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Griechenland 2013

  • Die Finanzierung der Defizite der südeuropäischen Länder wird die Märkte noch über Jahre beschäftigen und die Märkte belasten. Hier drei Szenarien.
  • Mit 90%iger Wahrscheinlichkeit wird es zu einer Umschuldung der griechischen Schulden kommen, allerdings nicht in den nächsten zwei Jahren.
  • Der Euro wird sich wesentlich weiter abschwächen, weil Grundlagen seiner Attraktivität verloren gegangen sind.

Die Märkte wissen nicht, was sie von dem Rettungspaket für Griechenland halten sollen. Zuerst waren sie etwas optimistischer, weil Athen endlich Geld bekommt und seine Verpflichtungen in diesem Monat erfüllen kann. Dann kam der Umschwung und es wurden alle Negativ-Szenarien diskutiert. Die Aktienmärkte brachen ein. Der Euro fiel unter 1,30 Dollar. Diese Unsicherheit ist angesichts der vielen Imponderabilien verständlich. Sie sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob das Programm am Ende nicht vielleicht doch erfolgreich sein kann. Es dauert immer eine Zeit, bis sich Vertrauen aufbaut. Zudem muss das Rettungspaket selbst noch eine Reihe von Hürden nehmen (Beschlüsse der nationalen Parlamente, vielleicht auch Verfahren vor Gerichten). Man sollte nicht zu ungeduldig sein.

Andererseits muss man sich natürlich Gedanken machen. Hier sind drei Szenarien für die weitere Entwicklung. Es sind keine Prognosen sondern Denkmodelle. Sie sollen zeigen, was passieren kann und wie wahrscheinlich es ist.

Szenario 1: Der Best Case. Es wird alles wieder gut. Griechenland erfüllt alle Vorgaben, die ihm in dem Sanierungsplan gemacht wurden.
Die versprochenen öffentlichen Gelder reichen aus, um die Lücken in diesem und im nächsten Jahr zu überbrücken. Athen kann wieder Anleihen am Markt platzieren. Weil die Finanzierung Griechenlands so elegant in Ordnung gebracht wurde, ergeben sich auch in Portugal, Spanien und Italien keine größeren Probleme.

Das wäre das Optimum. Es ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Das Sanierungsprogramm läuft vorerst über drei Jahre. Es ist kaum vorstellbar, dass in dieser Zeit alle vorgegebenen Punkte eingehalten werden. Das liegt einmal daran, dass es erhebliche politische Widerstände in der griechischen Gesellschaft gibt. Zudem wirkt das Programm negativ auf das Wachstum der hellenischen Wirtschaft. Damit können die Sanierungsziele (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) möglicherweise auch deshalb nicht eingehalten werden, weil das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Ich gebe diesem Szenario daher nur die Wahrscheinlichkeit von 10%. Wenn in der Wettervorhersage von einer Regenwahrscheinlichkeit von 10% gesprochen wird, nehme ich keinen Schirm mit.

Szenario 2: Der Worst Case. Es geht alles schief. Griechenland erfüllt die Vorgaben des Sanierungsprogramms nicht. Entweder hat die Regierung nicht die Kraft, die Maßnahmen in der Gesellschaft durchzusetzen. Oder es kommt zu einem Regierungswechsel mit einem Kabinett, das nicht mehr so kooperationsbereit ist. Die Märkte ziehen sich aus der Finanzierung des Landes vollständig zurück. Die eingesetzten Steuermittel und öffentlichen Garantien reichen nicht aus, um den Finanzbedarf Athens zu decken. Am Ende muss Griechenland die Zahlungsunfähigkeit erklären. Die bisherigen Gläubiger bekommen nur noch einen Teil ihrer Forderungen zurück.

Das Scheitern der Griechenland-Sanierung wirkt sich negativ auf die anderen Länder in Südeuropa aus. Portugal kommt als erstes in Schwierigkeiten und muss Insolvenz erklären. In Spanien (vielleicht auch in Italien) gibt es ebenfalls erhebliche Turbulenzen. Das Land kann aber vermutlich an einer Pleite vorbeischrammen. Wenn man ganz pessimistisch ist, muss man auch den Bankrott Spaniens annehmen.

Die Diskussion über den Erhalt des Euro eskaliert. Dabei geht es weniger darum, dass schwache Länder austreten. Für sie sind die Nachteile der Rückkehr zu einer nationalen Währung zu groß (stark steigende Zinsen, höhere Inflation). Wohl aber wird bei den stabileren Ländern eine Diskussion einsetzen, ob sie sich die Lasten des Euro in Form von finanziellen Verpflichtungen und weniger Stabilität noch leisten wollen. Ich gehe freilich davon aus, dass diese Diskussionen nicht zu einem Zerfall des Euro führt – nicht nur aus politischen Gründen, sondern auch weil der Aufwand für eine Rückkehr zu nationalen Währungen immens wäre.

Ich gebe diesem Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 30%. Für Griechenland hätte es den Vorteil, dass es mit einem Mal einen großen Teil seiner Schulden los wäre.

Andererseits hätte es einen Makel, der nicht so schnell vergessen wird. Die Steuerzahler der anderen EU-Staaten würden bei einem Bankrott Geld verlieren. Sie würden aber nicht mehr so sehr mit fresh money zur Kasse gebeten.

Szenario 3: Muddling Through. Es kommt zu keinen klaren Lösungen und keinem eindeutigen Schnitt. Die Beteiligten wursteln sich durch. Bei der Umsetzung des Sanierungsprogramms fällt Griechenland ein um das andere Mal hinter die Vorgaben zurück. Es bekommt aber immer wieder Zeit zum Nachbessern. Die Märkte trauen sich zeitweise, Griechenland Geld zur Verfügung zu stellen. Sie ziehen sich dann aber auch wieder zurück. Die öffentlichen Hände in der EU klagen über die großen Lasten, stocken dann aber doch ihre Hilfen auf, um es nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Auch Portugal braucht ein Hilfsprogramm gekoppelt an harte Sanierungsmaßnahmen. Es wird aber überwiegend vom Internationalen Währungsfonds geleistet, weil er leichter Geld mobilisieren kann. Spanien und Italien kommen dagegen mit freiwilligen Konsolidierungsmaßnahmen aus.

Es gibt keinen Staatsbankrott. Nach ein, zwei Jahren setzt sich aber die Überzeugung durch, dass die Lösung der Probleme (vielleicht auch in Portugal) ohne eine Umschuldung nicht möglich ist. Die Gläubiger müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

Ich gebe diesem Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 60%. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Politiker harte Schritte wie in Szenario 2 scheuen. Griechenland profitiert bei der Konsolidierung im Übrigen von dem Aufschwung der Weltwirtschaft.

Für den Anleger: Die Probleme bei der Finanzierung der griechischen Defizite werden sich noch über wenigstens drei Jahre hinziehen.

Es wird immer wieder negative Überraschungen für die Aktien, Renten- und Devisenmärkte geben. Der Euro verliert wichtige Stützen seiner Attraktivität. Internationale Investoren wenden sich ab. Der Kurs bewegt sich in Richtung auf 1,10 Dollar. Gläubiger in griechischen Anleihen müssen mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% (Szenario 2 plus Szenario 3) auf einen Teil ihres Geldes verzichten.

Dr. Martin Hüfner
Volkswirtschaftlicher Berater
direktanlage.at

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