Von Glückspilzen, Pechvögeln und Schlaubergern

Kursrückgänge von mehr als 40 Prozent an den Weltaktienmärkten 2008 und ein weiterer Kursrutsch von 22 Prozent bis Anfang März des laufenden Jahres sorgten bei den Anlegern verständlicherweise für starke Verunsicherung. Viele flohen in die vermeintlich sicheren Häfen der Geldmarktanlage oder der Staatsanleihen. Funds | 10.09.2009 04:45 Uhr
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Doch gerade das könnte sich in den nächsten Jahren als riskant erweisen. Die verhaltenspsychologisch bedingte Verlustaversion der meisten Anleger und ihre mangelnde Fähigkeit, vorübergehende Buchverluste in ihren Aktiendepots einigermaßen gelassen hinzunehmen, verleiten dazu, die Grundregeln erfolgreichen Investierens über Bord zu werfen und gerade zum falschen Zeitpunkt auszusteigen.

Eine vernünftige Anlageplanung verhindert Fehlentscheidungen

Um finanzielle Ziele zu erreichen, braucht man jedoch einen klaren Kurs, an dem man selbst dann festhalten kann, wenn schwere Börsenstürme hereinbrechen. Wie schwierig dies ist, wurde vielen Anlegern gerade im jüngsten Crash drastisch bewusst, vor allem wenn sie bei der wichtigsten Anlageentscheidung — der Wahl der für sie optimalen Vermögensmischung — grundlegende Fehler begangen hatten. Die Aufteilung des Depots auf die verschiedenen Anlageklassen muss den individuellen Bedürfnissen eines Anlegers, seinem Zeithorizont und seiner Risikobereitschaft entsprechen. Investieren erfordert eine langfristige Perspektive, d.h. einen Horizont von mindestens fünf, besser fünfzehn oder noch besser fünfundzwanzig Jahren. Mit einem wohldurchdachten Anlageplan und einem gut diversifizierten, sorgfältig zusammengestellten Depot fällt es leichter, auch bei rauer See auf Kurs zu bleiben. Denn wer planmäßig investiert, dem gelingt es besser, Emotionen, die rationale Entscheidungen behindern, auszublenden und sich gewissermaßen selbst zu überlisten statt zu versuchen, durch „rechtzeitiges“ Ein- und Aussteigen den schwankenden Märkten ein Schnippchen zu schlagen.

Ein vernünftiges Anlagekonzept sollte auf realistischen Renditeerwartungen gründen, d.h. Anleger sollten die Wahrscheinlichkeiten und Bandbreiten der Ertragsentwicklung der zur Wahl stehenden Anlagealternativen über verschiedene Zeiträume ins Kalkül ziehen. Zu diesem Zweck erstellen wir jährlich eine detaillierte Informationsgrundlage für Asset-Allokationsentscheidungen, um den Anlegern zu helfen, die gefährlichsten Klippen der Geldanlage souverän zu umschiffen.

Aktien, Renten und Festgeld: Renditeunterschiede aus guten Gründen

Kenner der Kapitalmarktgeschichte wissen: Aktien schlagen langfristig Renten, und Renten oder festverzinsliche Wertpapiere liefern höhere Renditen als Festgeld — immer vorausgesetzt natürlich, wir haben es mit marktwirtschaftlichen Strukturen und rechtsstaatlichen Systemen zu tun, die den Schutz des Privateigentums gewährleisten. Die Renditeentwicklung verschiedener Anlageklassen wurde am intensivsten für die US-Kapitalmärkte erforscht; die ermittelten Zusammenhänge gelten jedoch im Großen und Ganzen auch für andere Länder.

Natürlich könnte man den Standpunkt vertreten, dass dies alles Geschichte sei und aus Vergangenheitsdaten keine Rückschlüsse auf zukünftige Ertragsentwicklungen gezogen werden könnten. Doch gibt es überzeugende Gründe für die über lange Zeiträume beobachteten Renditedifferenzen zwischen Aktien, Anleihen und Geldmarktpapieren, die wohl auch in Zukunft gelten dürften: Aktien sind nichts anderes als Unternehmensbeteiligungen. Aktienerträge können daher konsequenterweise als „Unternehmerlohn“ interpretiert werden. Unternehmer werden sich kaum Geld leihen, wenn sie nicht in der Lage sind, durch ihre unternehmerische Tätigkeit höhere Erträge zu erwirtschaften als sie für das geliehene Kapital an Zinsen zu zahlen haben. Kreditgeber wiederum sind nur dann bereit, Kapital längerfristig zu verleihen, wenn sie dafür höhere Zinsen als am Geldmarkt erhalten.

Langfristige Renditevergleiche sprechen weiter für Aktien

Die bis 1926 zurückreichenden Vergleiche der US-Aktien-, Renten- und Geldmarktrenditen von Ibbotson liefern ungeachtet der Kursstürze des Jahres 2008 weiterhin überzeugende Argumente für langfristige Aktienengagements. Im Zeitraum 1926 bis Ende 2008 brachten US-Standardaktien eine Gesamtrendite (Kursgewinne + Dividenden) von durchschnittlich 9,6 Prozent pro Jahr, während man mit US-Staatsanleihen nur auf 5,4 Prozent und mit US-Schatzwechsel — vergleichbar mit Tagesgeld — nur auf 3,7 Prozent kam. Anders ausgedrückt: Wer Ende 1925
1.000 Dollar in US-Blue Chips investiert hatte, konnte sich Ende 2008 trotz des
36,9 %igen Kursverlusts im Jahr 2008 eines Vermögens von 2.049.000 Dollar erfreuen. Demgegenüber wären 1.000 Dollar in Staatsanleihen angelegt in den 83 Jahren auf nur 80.000 Dollar angewachsen. Noch schlechter sieht es bei Geldmarktpapieren aus: Hier wurden aus 1.000 Dollar nur gut 20.000.

Unter Berücksichtigung der Inflation ver175fachte sich das in Aktien investierte Kapital, während sich das Rentendepot nur knapp versiebenfachte und das am Geldmarkt angelegte Kapital sich gerade um 75 Prozent vermehrte. Rentenanleger (oder ihre Erben) wären also nach 83 Jahren vier mal so reich wie sicherheitsorientierte Festgeldanleger; Aktienanleger (bzw. deren Nachkommen) hätten ein 100 mal so großes Vermögen. Da bei festverzinslichen Anlagen meist der gesamte Ertrag der Einkommensteuer unterliegt, wird offensichtlich, dass von den drei untersuchten Anlageklassen nur Aktien für den langfristigen Vermögensaufbau geeignet sind.

Kurzfristiges Verlustrisiko ist der Preis für hohe langfristige Renditen

Die wichtigste Überlegung bei der Wahl der geeigneten Anlageform ist der Zeithorizont des Anlegers. Für einen Anleger, dessen wichtigstes Ziel es ist, am Jahresende ein positives Ergebnis auszuweisen, kommt fast nur Festgeld in Frage, da auf Sicht von einem Jahr die Wahrscheinlichkeit, am Geldmarkt  einen nominalen Verlust zu erleiden, nahe Null ist. Demgegenüber beträgt die Verlustwahrscheinlichkeit für einjährige Halteperioden bei Renten neun und bei Aktien immerhin 26 Prozent. Schon nach drei Jahren fällt diese Verlustwahrscheinlichkeit bei Renten ebenfalls auf Null, während der Pechvogel, der zum ungünstigsten Zeitpunkt im letzten Jahrhundert — nämlich im August 1929 — Aktien kaufte, etwas mehr als 15 Jahre — bis Januar 1945 — warten musste, um seinen Einstand wieder zu erreichen. Das heißt: Wer für einen in den nächsten Monaten geplanten Hauskauf spart, hat am Aktienmarkt nichts verloren. Wer in jungen Jahren beginnt, für seine Altersversorgung zu sparen, wird im Ruhestand keine großen Sprünge machen, wenn er dazu ein Sparbuch wählt.

Kommt Zeit, kommt Rendite: Die Zeit arbeitet für den Aktieninvestor

Die kurzfristig sicherste Geldanlage ist langfristig die riskanteste. Ertragsorientierte Anleger, die kurzfristige Verluste emotional und finanziell verkraften können, wären mit Geldmarktanlagen schlecht beraten. Nur in elf Prozent der Zeit lieferten Geldmarktpapiere bei einer einjährigen Halteperiode den höchsten Ertrag der drei Anlageklassen, während Renten in 26 Prozent und US-Standardaktien in 63 Prozent der Einjahresperioden den höchsten Ertrag brachten. Je länger der Anlagehorizont ist, desto schlechter stehen die Chancen, dieses Ziel am Geldmarkt oder mit Staatsanleihen zu erreichen. Seit 1926 gab es keine 21-jährige oder längere Periode, in der Aktien nicht den höchsten Ertrag lieferten. Damit wird klar: Das Verlustrisiko ist in hohem Maße abhängig von der Halteperiode. Der Glückspilz, der Ende 1932 US-Aktien erwarb, war ein Jahr später um 54 Prozent reicher. Doch selbst unser Pechvogel, der nur einmal in seinem Leben zum schlechtesten Zeitpunkt des letzten Jahrhunderts, im August 1929, ein Portfolio bestehend aus US-Standardaktien erwarb, hätte nach 21 Jahren einen höheren Ertrag als der Renten- bzw. Geldmarktanleger erzielt. Es ist also nicht verwunderlich, dass rationale, langfristig orientierte Anleger einen sehr hohen Anteil ihres Finanzvermögens in Aktien halten.

„Schlauberger“ leben gefährlich

Neben Glückspilzen und Pechvögeln tümmeln sich am Aktienmarkt aber auch viele Schlauberger. Denn Aktien braucht man ja bekanntlich nur dann zu haben, wenn sie steigen. Kurz bevor sie fallen, steigt man rechtzeitig auf Festgeld um, oder — noch besser — man sichert sich am Terminmarkt durch Verkaufsoptionen oder Futures auf Aktienindizes ab. Das Problem ist, dass die Aktienkurse sehr schnell auf ein sich veränderndes Umfeld reagieren, weil unsere Schlauberger nicht die Einzigen sind, die solche brillianten Ideen haben. Deshalb sind die großen Kurssprünge auf relativ kurze Zeiträume komprimiert. Ein Anleger, der seit 1926 nur die drei Prozent der besten Monate durch falsches Markt-Timing verpasste, hat den gesamten Mehrertrag von Aktien im Vergleich zur Geldmarktrendite verspielt.

Time Is More Important than Timing

Aufgrund des Zinseszinseffekts — gekoppelt mit den höheren Durchschnittsrenditen von Aktien — schlagen sich falsche Timing-Entscheidungen im langfristigen Durchschnitt mit einem Faktor von 1,5 im Wert eines Portfolios nieder. Das heißt der Mehrertrag des Glückspilzes, der (bei vierteljähriger Umschichtung) immer die richtige Entscheidung zwischen Aktien oder Festgeld trifft, steht im Verhältnis von etwa 1 zu 1,5 zu dem Minderertrag des Pechvogels, der sich immer für die ungünstigere Alternative entscheidet. Der Markt-Timer, der die falsche Entscheidung trifft, verliert also gegenüber einem „Buy and Hold“-Anleger durchschnittlich 1,5 mal mehr als der perfekte Markt-Timer gewinnt.

Bereits vor Transaktionskosten und Steuern benötigt der Markt-Timer 57 Prozent richtige Entscheidungen, um mit einem “Buy and Hold”-Investor gleichzuziehen. Addiert man Transaktionskosten und Steuern, wird das Markt-Timing nur noch riskanter.

Risiko ist auch eine Frage des Preises („Value“-Aktien schlagen „Wachstums“-Werte)

Nachdem entschieden ist, welcher Prozentsatz des Finanzvermögens in Abhängigkeit von der Haltedauer in Aktien, Renten und Festgeld angelegt werden soll (Je länger, desto mehr Aktien!), stellt sich für das Aktiensegment die Frage, mit welchen Titeln die höchsten Erträge erzielbar sind. Häufig werden sogenannte Wachstumswerte empfohlen. Das sind Unternehmen, denen man aufgrund ihres Geschäftsmodells ein hohes Gewinnwachstum in der Zukunft zutraut. Diese Einschätzung gründet auf Erwartungen und Prognosen. Da solche Prognosen häufig aber nicht eintreten, liegt die langfristige Wertentwicklung dieser Aktien hinter der des Gesamtmarktes zurück. Der Renditeunterschied gegenüber “Value”-Aktien — das sind Titel, die aufgrund fundamentaler Kriterien als günstig bewertet gelten — beträgt rund zwei bis vier Prozentpunkte pro Jahr. Ein gewaltiger Unterschied, der wiederum dem Langfristinvestor, also dem „Buy and Hold“-Anleger, aufgrund des Zinseszinseffekts potenziert zugute kommt. Potenziert deshalb, weil zweimal 100 Prozent Rendite am Kapitalmarkt nicht einen Gewinn von 200 Prozent bedeutet, sondern 300 Prozent.

Fazit

Wer langfristig Vermögen aufbauen will, ist mit Aktien — insbesondere preisgünstigen Dividendenpapieren mit möglichst hohem Substanz- und Ertragswert — am besten beraten. Allerdings muss man als Aktienanleger mit hohen kurzfristigen Ertragsschwankungen leben können und darf sich durch vorübergehende starke Kursrückschläge nicht verleiten lassen, genau zum falschen Zeitpunkt auszusteigen. Statt dessen empfiehlt es sich, Marktbewegungen planmäßig und gezielt zu nutzen, um die ursprünglich festgelegte Asset Allocation wiederherzustellen, sofern sich die Anlageziele nicht geändert haben. Markt-Timing ist gefährlich und auf lange Sicht meist kontraproduktiv, weil die Vermögensbildung durch falsche Entscheidungen stärker beeinträchtigt als durch richtige gefördert wird. Der größte Feind des Anlegers ist der Anleger selbst. Wie überwindet man ihn? Mit Disziplin, Geduld und einer langfristigen wertorientierten Anlagestrategie.


Anmerkung: Interessenten können die 25-seitige Ausarbeitung zum Thema Grundlagen für Asset Allocation-Entscheidungen als PDF bei [email protected] anfordern.


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