Aktien – Ja Bitte!

Das hat es seit Ende der 40er Jahre nicht mehr gegeben: Dividendenrenditen am Aktienmarkt von 5 Prozent und mehr, 10-jährige US-Staatsanleihen mit nur noch 2,5 Prozent Rendite! In den ersten Jahren nach 1948 profitierten nur wenige Deutsche von den damals niedrigen Bewertungen am Aktienmarkt. Aktien waren damals im Gegensatz zu Konsumgütern nicht gefragt. Funds | 31.12.2008 05:00 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Zumal sich deutsche Aktien überwiegend in den Händen von Industriellenfamilien sowie Banken und Versicherungen befanden, die kein Interesse hatten, Aktien einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Warum sollten sie auch? Die Banken speisten die Anleger lieber mit mageren Sparzinsen ab und vergaben ihr mit Niedrigstzinsen bedientes Fremdkapital in Form von Firmenkrediten. Oder besser: Sie investierten es in Aktienpakete der deutschen Vorzeigeunternehmen.

Ähnlich verhielt es sich in den USA. Aktienanleger gehörten Ende der 40er Jahre zur aussterbenden Art. Anders ist es nicht erklärbar, dass der Standard & Poor’s 500 Index — ein breiter Aktienindex mit den 500 bedeutendsten Unternehmen in den USA — Mitte 1949 unter seinem Buchwert und bei einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 5,8 notierte. Die Dividendenrendite des S&P 500 Index lag damals bei 7,3 Prozent, langlaufende US-Staatsanleihen rentierten mit 2,5 Prozent nur etwa ein Drittel so hoch wie die Dividendenpapiere.

Ursachenforschung: Verunsichert durch Börsencrash, Depression und Krieg

Will man die Ursachen des Anlegerverhaltens Ende der 40er Jahre ergründen, so muss man noch weiter zurückgehen. Wer waren damals die potentiellen Aktienkäufer und welche Entscheidungsgrundlagen hatten sie, ihr Erspartes anzulegen? Die damals 30- bis 65-Jährigen waren geprägt vom Börsencrash 1929-1932, als der S&P 500 Index 85 Prozent einbüßte. In der anschließenden Depression verlor ein Viertel aller Amerikaner seinen Arbeitsplatz. Danach folgte der Zweite Weltkrieg. Als die Amerikaner ab 1946 wirtschaftlich langsam wieder Fuß fassten, stand Sicherheit an erster Stelle. Die leidvollen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit führten zur Erkenntnis “Aktien — Nein Danke!” Alle Vorzüge der Aktienanlage wurden verworfen. Niemand wollte von Aktien etwas hören.

Ein weiterer Punkt: Es gibt keine absolute Sicherheit. Anleger, die sich damals vermeintlich sichere US-Staatspapiere ins Depot legten, erlebten schon bald ihr blaues Wunder. In den 50er Jahren mussten sie zusehen, wie der Aktienmarkt im Durchschnitt um 19 Prozent pro Jahr zulegte. Als die Inflationsraten dann in den 60er Jahren stiegen, fielen die Kurse der US-Staatsanleihen bis 1981 in den Keller. Besitzern von kurzlaufenden US-Schatzbriefen erging es nicht viel besser. Daher musste in den 50er Jahren erst eine neue Generation heranwachsen, die die Attraktivität von Aktien objektiver beurteilen konnte als diejenige, die den Börsencrash 1929 und die Depression der 30er Jahre am eigenen Leib erlebte.

Benjamin Graham (1894-1976) gehörte nicht mehr zu dieser neuen Generation. Wohl aber seine damaligen Assistenten Thomas Knapp, William J. Ruane, Walter Schloss und natürlich Warren Buffett. Sie wurden die großen neuen Promoter von Aktien in den 50er und 60er Jahren. Frustriert über die nach seinen Wertvorstellungen zu hohen Aktienkurse ging Graham bereits 1955 im Alter von 59 Jahren in den Ruhestand. Die Erfahrung lehrt, dass die Bewertungen der Aktienmärkte gesellschaftsbezogen sind und sich über viele Jahre auf einem hohen, mittleren oder auch niedrigen Niveau bewegen können.

Historische Parallelen: Wiederholt sich Geschichte am Aktienmarkt?

Ende 2008 ähnelt die Situation auf dem Aktienmarkt dem Umfeld in den USA im Jahr 1949. Angesichts der Tatsache, dass nun die 10-Jahresrenditen bedeutender Aktienindizes ins Minus gerutscht sind, werden die langfristigen Vorteile der Aktienanlage zunehmend in Zweifel gestellt. Anstatt realistisch die jeweilige Situation zu beurteilen, neigt der Anleger dazu, einerseits zu konservativ vorzugehen und hohe Vermögensanteile im Geldmarkt anzulegen. Andererseits kann es bei Aktienengagements nicht spekulativ genug hergehen.

Ein Investment in Standardaktien aus dem DAX wie Bayer oder RWE war 1999 viel zu konservativ. Da lockte vielmehr eine Deutsche Telekom, die mit dem 50-fachen Jahresgewinn oder noch höher bewertet wurde. Ganz zu schweigen von unbekannten Internet-Aktien. Als die Deutsche Telekom im Zuge der Dot.com-Blase abstürzt und die vorher so hoch gepriesenen Technologie-, Medien- und Internetaktien zusehends vom Kurszettel verschwinden, rücken Zertifikate in den Anleger-Fokus. Schließlich braucht man nur zu wissen, wo der DAX am Jahresende steht. Dass dies trotz aller abgegebenen Prognosen niemand weiß und wissen kann, ficht niemand an. Man kann nur hoffen, dass die so geprellten Anleger jetzt nicht den gleichen Fehler machen, wie die Amerikaner Ende der 40er Jahre.

Aktien bieten langfristig Potenzial

Lassen Sie mich versuchen, das Potenzial von Aktien auf Sicht der nächsten zehn Jahre unter Zugrundelegung von Erfahrungswerten zu beschreiben. In den USA lagen die durchschnittlichen jährlichen Gesamtrenditen in den vergangenen 83 Jahren bei etwa 9,6 Prozent für Aktien, 5,2 Prozent für festverzinsliche Staatsanleihen und bei etwa 3,7 Prozent für kurzfristige Schatzwechsel. In den meisten Ländern, die eine marktwirtschaftliche Grundordnung haben und ein Rechtssystem, das die Eigentumsrechte schützt, sind diese Renditeverhältnisse ähnlich. Das wurde in Großbritannien, in Frankreich, in Deutschland und in der Schweiz sowie in vielen anderen Ländern durch empirische Studien bestätigt.  Aktien haben in der Regel — aber nicht immer — im 10-Jahresvergleich positiv abgeschnitten. Hier sind die durchschnittlichen 10-Jahresrenditen und das Buchwertwachstum von US-Aktien seit Ende der 20er Jahre:

 

 

 

 

 

Buchwertwachstum ist die wichtigste Komponente des langfristigen Wertzuwachses von Aktien. Es beinhaltet nicht nur das jährliche Gewinnwachstum sondern auch die Veränderung des Nettovermögens einer Gesellschaft. Bleibt die Bewertung einer Aktie unverändert, ist Buchwertwachstum und Wertentwicklung identisch. In der Regel schwanken Aktienkurse jedoch aufgrund von Bewertungsänderungen viel stärker als die zugrundeliegenden Buchwerte. Hier kommt der irrationale Anleger ins Spiel, der durch seine Euphorie die Kurse nach oben treibt bzw. aktuell durch seinen Pessimismus die Kurse nach unten drückt. Dies hat zur Folge, dass dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends eine Minusrendite droht — die ersten neun Jahre ergeben minus 1,7 Prozent p.a.! Das wäre nach der Quasi Null-Rendite für US-Aktien in den 30er Jahren, das erste Jahrzehnt mit negativen nominalen Gesamtrenditen.

Niedrige Bewertungen und mangelnde Anlagealternativen

Interessanterweise liegt das aber nicht — zumindest bis jetzt noch nicht — an den schlechten Unternehmenszahlen: Die Gewinne des S&P Index stiegen in den vergangenen neun Jahren im Durchschnitt jährlich um 4,4 Prozent, der Cash Flow um 6,7 Prozent und die Dividenden um 6,6 Prozent. Dass die Aktienkurse gegenüber dem Ultimo 1999 gefallen sind, liegt vielmehr daran, dass sich die Bewertungen seitdem mehr als halbiert haben. Das Problem der niedrigen Gesamtrenditen ist also in der Vergangenheit zu suchen: Während im Dezember 1999 noch das 31-fache für eine Gewinneinheit und das 5,8-fache für eine Buchwerteinheit des MSCI USA Index bezahlt wurde, liegt das heutige Kurs/Gewinn-Verhältnis bei 13,5 und das Kurs/Buchwert-Verhältnis bei 1,7. Absolut sind das zwar noch keine “Schnäppchen”-Bewertungen. Was Aktien heute wieder attraktiv macht liegt vor allem an den mangelnden Anlagealternativen. Es sind also die Opportunitätskosten, vor allem die mageren Renditen von Festverzinslichen, die Aktien heute attraktiv machen.

Das derzeitige Kurs/Gewinn-Verhältnis des MSCI USA Index von 13,5 ergibt eine Gewinnrendite von 7,4 Prozent (100/13,5). Selbst wenn man das Depressions-Szenarium der 30er Jahre und damit für 10 Jahre gleichbleibende Aktienkurse unterstellt und annimmt, dass die heutigen Unternehmensgewinne im Durchschnitt ein Jahrzehnt lang um 1,5 % pro Jahr schrumpfen werden, läge die Gewinnrendite des MSCI USA Index Ende 2018 immer noch bei 6,5 Prozent — also 2,6 Mal so hoch wie die heutigen Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen. Ein so dramatischer Gewinnrückgang entspräche dem durchschnittlichen Gewinnrückgang der im S&P 500 Index enthaltenen Unternehmen in dem Jahrzehnt der Depressionsjahre bis Ende 1939 — ein Szenarium, das meines Erachtens zu pessimistisch ist.

Die Chancen für US-Aktien stehen gut

Wahrscheinlicher ist es, dass wir in den USA in den nächsten 10 Jahren ein Buchwertwachstum von etwa 6 bis 8 Prozent haben werden. Damit hätte der Dow Jones Index für Industriewerte gute Chancen, in den kommenden 10 Jahren seinen alten Höchststand von 14.164,53 vom 9. Oktober 2007 zu übertreffen. Ausgehend vom derzeitigen Stand von 8.629.68 (12. Dezember 2008) bedürfte es dazu einer im historischen Vergleich nur unterdurchschnittlichen jährlichen Wertsteigerung von 5,1 Prozent. Die Dividendenrendite von zur Zeit 3 Prozent p.a. gäbe es sozusagen obendrein gratis. Das Risiko, in den kommenden 10 Jahren mit US-Aktien Geld zu verlieren, ist also aus Sicht der heutigen Bewertungen sehr begrenzt. Sicher ist es andererseits, dass Sie mit US-Staatsanleihen in den nächsten 10 Jahren nicht mehr als 2,5 Prozent p.a. verdienen werden. Das sollten Sie bei Ihrer Investmententscheidung berücksichtigen.


Zum Autor: Michael Keppler ist Geschäftsführer von Keppler Asset Management Inc. in New York.


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