e-fundresearch: Schwellenländer Aktien hatten Europa Aktien und Nordamerika Aktien bis November 2007 über Jahre hinweg outperformen können. Seitdem haben diese Märkte stärker gelitten, speziell Indien, China und Türkei bis zuletzt. Sind die fundamentalen Triebkräfte weiterhin intakt oder ist die gesamte Investmentstory unter Druck geraten?
Keppler: "Vor allem in den sogenannten “BRIC”-Ländern — also Brasilien, Russland, Indien und China — gab es in letzter Zeit scharfe Kurskorrekturen. Dies zeigt, wie fragwürdig es ist, Emerging Markets-Investments auf die BRIC-Story zu reduzieren, wenngleich sie in den letzten Jahren vor allem von den großen Investmenthäusern zunehmend so verkauft wurden. Aber ein bestechendes Marketingkonzept ist nicht notwendigerweise eine vernünftige langfristige Anlagestrategie. Wir hatten in den vergangenen Jahren stets davor gewarnt, Wirtschaftswachstum mit Gewinnwachstum und Aktienkursentwicklung gleichzusetzen.
Nehmen Sie zum Beispiel den indischen Aktienmarkt. Dort war die bis Ende 2007 überdurchschnittliche Kursentwicklung aus unserer Sicht fundamental nie gerechtfertigt. Das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum gemessen am Bruttosozialprodukt schlug sich keineswegs in einem überdurchschnittlichen Gewinnwachstum der indischen Unternehmen nieder. So lag beispielsweise das Gewinnwachstum der im MSCI Emerging Markets Index enthaltenen Unternehmen auf Sicht von einem Jahr, drei Jahren und fünf Jahren bei 22,8 Prozent, 19,9 Prozent und 25,1 Prozent (Stand 31. Juli 2008). Da konnte der MSCI Indien Index in keiner Vergleichsperiode mithalten. Hier betrug das Einjahres-Gewinnwachstum 8,6 Prozent; im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre lag es bei 17,5 Prozent und im Fünfjahresdurchschnitt bei 19,1 Prozent. Kein Wunder also, dass der MSCI Indien Index in diesem Jahr mit minus 41,4 Prozent unter den Emerging Markets am schlechtesten abschnitt.
UI-ChampionsCall mit ProfitlichSchmidlin: „Wir graben tiefer“ - Opportunitäten für langfristige Unternehmensbeteiligungen und Anleihe-Sondersituationen
„Wir graben tiefer“ - Opportunitäten für langfristige Unternehmensbeteiligungen und Anleihe-Sondersituationen„Im Jahr 2023 sind die Fundamentaldaten bei unseren Beteiligungen mit den Aktienkursen weit...Nachdem das BRIC-Konzept nun durch die drastischen Kurseinbrüche in Indien, China und Russland ins Wanken geraten ist, werden sich einige “Momentum”-Anleger fragen müssen, ob da nicht doch ein Fehler im System steckt. Das überzeugendste Argument für internationale Aktieninvestments ist Risikostreuung. Wer sich auf nur vier Länder beschränkt, gibt diesen Diversifikationsvorteil unnötigerweise auf. Wenn dann alle vier Märkte gleichzeitig überteuert sind, kommt zu einem nicht unerheblichen Klumpenrisiko auch noch das Risiko überhöhter Preise. Gier oder — wenn Sie es euphemistisch ausdrücken wollen — übertriebene Euphorie bzw. irrationaler Überschwang führt nun einmal zur Bildung von Blasen, die früher oder später platzen. Es gibt unter den 25 im MSCI Emerging Markets Index enthaltenen Ländern eine ganze Reihe, die wesentlich preiswerter sind als die Schwellenländerbörsen, die in den letzten Jahren die Fantasie der Anleger beflügelten. Die aussichtsreichsten aus diesen preisgünstigeren Märkten auszuwählen, ist unsere Expertise."
e-fundresearch: Die Inflationsraten steigen weltweit und haben bedeutende Auswirkungen auf die Konsumentenpreisindizes in Schwellenländern. Wie beeinflusst dies Ihre Portfolio Entscheidungen?
Keppler: "Diese Überlegungen fließen selbstverständlich in unsere Investitionsentscheidungen ein."
e-fundresearch: Finanzwerte waren aufgrund der Kreditkrise seit August 2007 stark unter Druck. Wie ist die Situation für Finanzwerte in Schwellenländern?
Keppler: "Wir halten in den von uns betreuten Emerging Markets Aktienfonds zahlreiche Finanzwerte. Die meisten davon sind von der Finanzkrise der Industrieländer wenig und oft auch nur indirekt betroffen."
e-fundresearch: Brasilien konnte in den letzten Monaten eine sehr gute Performance erzielen. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung für die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas ein?
Keppler: "Wir geben grundsätzlich keine Konjunkturprognosen ab. Ende Mai stuften wir Brasilien erstmals seit 19 Jahren auf “Verkauf”. Das bedeutet, dass wir auf Sicht von drei bis fünf Jahren für brasilianische Aktien nur eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung erwarten."
e-fundresearch: Ihr Ausblick für die Assetklasse in 2008/2009?
Keppler: "Aufgrund der Tatsache, dass einige der Märkte mit relativ hoher Marktkapitalisierung in den vergangenen Jahren immer teuerer geworden sind, hat sich die durchschnittliche Bewertung des MSCI Emerging Markets Index im Vergleich zur Bewertung der etablierten Börsen zu Lasten der Schwellenländermärkte verschoben. Deshalb erwarten wir für den kapitalisierungsgewichteten MSCI Emerging Markets Index, der z.Z. 25 Märkte enthält, auf Sicht der kommenden drei bis fünf Jahre im Vergleich zum MSCI Weltaktienindex keine überdurchschnittliche Performance mehr wie in früheren Jahren.
Da die von uns favorisierten Märkte Korea, Malaysia, Polen, Taiwan, Thailand, die Türkei und Ungarn jedoch deutlich preiswerter sind als der Vergleichsindex, gilt diese dem Ergebnis unserer Fundamentalanalysen implizite Prognose nicht für die von uns betreuten Emerging Markets-Aktienportfolios. Langfristig versprechen wir uns von den nach unseren Kriterien attraktiv bewerteten Märkten weiterhin überdurchschnittliche Renditen bei einem niedrigeren Verlustrisiko."
Michael Keppler (Kepper Asset Management, New York) zählt seit Jahren zu den Top-Fondsmanagern für Aktienfonds, die in Schwellenländern investieren und führt das Ranking der globalen Schwellenländer Aktienfonds an (5-Jahres-Sharpe Ratio). Siehe auch Artikel vom 4. 8. 2008 "Die besten Schwellenländer Aktienfonds".