Auch 100 Dollar für ein Barrel Öl ist hoch

Öl notiert deutlich über 130 Dollar. Das sollte besonders die Mineralölkonzerne freuen. Doch Christopher Wheaton, Manager des Allianz-dit Energiefonds, relativiert: Die Herausforderung für die Unternehmen liegt in einem neuen Geschäftsmodell. Chancen ortet er vor allem in der Erdgas-Branche. Funds | 25.06.2008 06:05 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Christopher Wheaton managt den Allianz-dit Energiefonds. Über die vergangenen drei Jahre outperformte er damit den MSCI World/Energy TR um drei Prozentpunkte. Im Gespräch mit e-fundresearch.com erläutert er seine Sicht auf die Energie-Branche, in welchen Sub-Sektoren es besondere Chancen gibt und warum erneuerbare Energien in seinem Portfolio (vorerst) keine große Rolle spielen.


e-fundresearch.com: Es gab eine starke Outperformance des Ölsektors über die letzten Jahre. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Christopher Wheaton: Ich denke schon, selbst wenn 130 Dollar nicht der ‚richtige’ Ölpreis ist. Die Assetklasse wird weiterhin aufwerten. Denn das Problem ist, dass es immer schwieriger wird, Energiequellen zu finden. Die Zeiten von „Easy Energy“ sind vorüber wie Tony Hayward, CEO von BP, jüngst treffend formuliert hat. Aber eigentlich hat er nur gesagt, was die jüngsten Preisanstiege schon andeuten.

Der MSCI World Energy ist über eine lange Zeit eins zu eins mit dem Ölpreis gestiegen. Doch der Ölpreis hat sich vor kurzem vollständig entkoppelt. Werden die Aktien dem Ölpreis noch nachfolgen?

Interessant ist der Skeptizismus bei Energie-Aktienanalysten gegenüber dem Ölpreis. Die Situation ist relativ ähnlich zu 2004, wobei die Zahlen ganz andere sind. 2004 notierten Ölfutures niedriger als die Spot-Preise, bevor sie umschlugen und damit höhere zukünftige Ölpreise vorwegnahmen. Das haben wir auch die letzten drei Monate schon gesehen. Man kann darüber diskutieren, ob 130 Dollar der ‚richtige’ Preis ist, aber was uns der Ölmarkt eigentlich sagen möchte, ist: die Nachfrage ist hoch, und neue Produktion ist schwer zu finden. Wie auch 2005 werden wir in den nächsten sechs bis zwölf Monaten eine starke Performance des Ölsektors sehen. Denn man muss sich überlegen, was es heißt, wenn Ölaktien noch bewertet werden mit 70 Dollar Öl, obwohl der Preis weit über 100 Dollar steht. 

Aber für Aktionäre zählt nicht der Rohstoffpreis, sondern die Gewinne der Unternehmen. Wie sieht es mit dem Gewinnwachstum der Branche aus, angesichts der steigenden Kosten?

Der hohe Ölpreis kompensiert die Kostensteigerungen deutlich. Das ermöglicht die Ölunternehmen endlich durch den steigenden Cashflow zu investieren. Die jetzige Situation der Angebotsverknappung hat ihre Ursachen in einer Zeit von geringer Investitionstätigkeit. Der jetzige Ölpreis ist aber ein Anreiz erneut zu investieren.

Öl ist ja nur einer von mehreren Energieträger. Wie sieht es mit Unternehmen aus, die Energie aus Gas oder regenerativen Ressourcen gewinnen?

Die aktuelle Investmentchance beschränkt sich nicht nur auf Öl. Bei vielen Unternehmen geht es auch ums Gas. Es gibt zurzeit eine massive Bewertungsdifferenz zwischen Öl und Gas. Wenn man sich Gaspreise ansieht und als Bezugsgröße das Energieäquivalent von einem Barrel Öl nimmt, kommt man darauf, dass Gas massiv unterbewertet ist. Dasselbe gilt auch für Kohle. Ich gehe daher davon aus, dass auch die Gaspreise weiter steigen dürften und damit auch die Gewinne der Unternehmen treiben dürften.

Welche Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette innerhalb des Sektors können denn am besten von den momentanen Preisen profitieren?

Die Produzenten von verflüssigtem Erdgas werden stark profitieren können, etwa Shell, Total oder BG Group. Denn zum ersten Mal kann Gas transportiert werden ohne eine Pipeline zu bauen. Und in Asien ist man bereit für Gas dasselbe zu zahlen wie für Öl. Das wird die Gewinne der Unternehmen stark unterstützen. Denn die Gasnachfrage steigt noch stärker als jene von Öl.

Wie sieht es mit den großen Unternehmen BP und Shell allgemein aus. Sie haben dieses Jahr den Index underperformt. Welchen Ausblick haben Sie für diese Unternehmen?

Es gibt dieses „alte“ Geschäftsmodell im Ölsektor. In diesem Modell war ein Ölkonzern eigentlich eine Bank. Doch dieses Geschäftsmodell hat sich überholt, seitdem einige Länder angefangen haben, ihre Ressourcen eigenen Ölkonzernen in die Hände zu geben, wie etwa Brasilien das mit Petrobras gemacht hat. Große Ölunternehmen müssen heute zwei Sachen beachten: um sich den Zugang zu den Ressourcen zu erhalten, müssen sie den Ländern etwas Außergewöhnliches anbieten können, etwa Technologie oder besondere Fähigkeiten für spezielle Herausforderungen. Zweitens ist das Ölgeschäft im 21. Jahrhundert eine Fertigungs- und keine Produktionsbranche mehr. Das ist ein großer Unterschied, denn die Unternehmen müssen aufhören, jedes Projekt neu zu machen, sondern müssen beginnen, Prozesse und Projekte weitgehend zu standardisieren, um die Kosten je Barrel zu senken. Das ist die neue Herausforderung für die Ölindustrie.

Wie sieht es mit den aufsteigenden Nationen wie Russland oder Brasilien aus? Dort sind die großen Ölkonzerne entweder gar nicht willkommen oder haben Probleme mit ihren heimischen Partnern, wie etwa BP in Russland.

Es ist aber zweifelsfrei schwieriger, Zugang zu den Ressourcen zu erhalten, wenn es einen talentierten lokalen Player gibt. Russland ist hingegen eine besonders komplizierte Geschichte. Es war über die letzten Jahre immer klarer, dass Russland die wichtigen Assets unter seiner Kontrolle halten will. Aber man sollte BP’s Problem mit TNK-BP in Russland nicht generalisieren. Im Gegenteil: Russlands Ölwirtschaft ist offener für Investments als zu jedem Zeitpunkt der jüngsten Vergangenheit, wenn auch nur zu den Konditionen, die Russland genehm sind. Und insgesamt ist BP’s Engagement in Russland sehr erfolgreich gewesen.

In Europa wird derzeit die Aufsplittung der Stromriesen heftig debattiert. Dabei sollen die Netze von der Stromproduktion getrennt werden. Was halten Sie davon?

Es ist ein interessanter Trend, die Produktion von der Transmission zu trennen. Aber man muss abwägen, zwischen dem jetzigen Vorteil von niedrigeren Preisen und dem Anreiz für weitere Investitionen. Das ist eine politische Entscheidung.

Wie stehen Sie zu den erneuerbaren Energien? Wie sind sie mit ihrem Fonds positioniert?

Mein Fonds ist kein Fonds, der auf erneuerbare Energien spezialisiert ist. Am Fonds betragen sie immer zwischen zwei und acht Prozent. Mein Problem mit dem Sektor sind ganz klar die Bewertungen. Das Wachstum der Branche hat die Unternehmen teuer gemacht und ein großer Teil des Geschäftsmodelles beruht auf Subventionen. Wir hatten zum Beispiel die verrückte Situation, dass ein großer Biodieselproduzent in Großbritannien vom Markt verschwunden ist, weil aus den USA der Biotreibstoff billiger importiert werden konnte. Quer über den Atlantik, dank der hohen Subventionen. Ich sehe diese staatlichen Unterstützungen als nicht wirklich nachhaltig an. Wirklich interessant für mich ist die Windenergiebranche. Besonders das Angebot an Turbinen ist interessant. Dort gibt es eine übersichtliche Anzahl an Konkurrenten. In anderen Bereichen gibt es Gewinn-Kursverhältnisse von mehr als 30, also uninteressant für mich. Man muss bei erneuerbaren Energien selektiv sein.

Wie sieht es mit der Kernenergie aus?

Angesichts der aktuellen Diskussionen ein sehr interessantes Investment. Das Problem ist nur, dass es schier unmöglich ist, auf einen positiven Trend via den Aktienmarkt zu setzen, da nur wenige, zumeist in staatlicher Hand befindliche, Unternehmen den Markt dominieren.

Welchen Effekt haben die hohen Energiepreise auf die Wirtschaft und besteht nicht die Gefahr, dass die hohen Preise den Konjunkturmotor abwürgen und somit die Preise in den Keller schicken?

Wenn Sie sich nur auf die Nachfrageseite konzentrieren, vernachlässigen Sie eine wichtige Seite des Bildes. Denn das Problem liegt auf der Angebotsseite. Dort gibt es kaum eine Reaktion auf die hohen Preise, die produzierte Ölmenge steigt also nicht an, sondern fällt sogar. Wenn ein Ölfeld lange aktiv war, dann fällt die produzierte Outputmenge, weil der Druck in dem Feld zurückgeht. Seit 2003 sehen wir, dass dieser Rückgang schneller wird, weil die Felder schon so lange aktiv sind. Damit kann das Angebot nur ungenügend auf die hohen Preise reagieren.

Wie viel können Energieaktien in den Jahren 2008/2009 noch zulegen?

Bei den großen Ölkonzernen sehen wir bis zu 20 Prozent Potential nach oben in den nächsten sechs bis zwölf Monaten. Denn der aktuelle Ölpreis ist sehr viel höher als der Preis, den die Analysten für ihre Bewertungen hernehmen. Dieser Unterschied ist wirklich hoch. Wir werden in nächster Zeit mit Gewinnsteigerungen von rund 15 Prozent rechnen können.

Wie sieht es mit Ihren aktiven Positionen aus? Welche Bereiche des Sektors haben Sie unter- oder übergewichtet?

Ich bin zurzeit stark bei Gas übergewichtet im Gegensatz zu Öl. Die meisten integrierten Ölkonzerne, besonders jene aus den USA, habe ich untergewichtet. Sie machen normalerweise 25 Prozent des Index aus, in meinem Fonds machen sie nur 12 Prozent aus. In Europa bin ich bei Ölunternehmen sogar ein wenig übergewichtet, besonders bei jenen, die auch noch über eine starke Gassparte verfügen.

Last but not least: Wie wird es beim Ölpreis weitergehen?

Wenn wir 150 Dollar erleben werden, dann in den nächsten Wochen. Mittelfristig wird der Preis jedenfalls wieder zurückkommen in Richtung 100 Dollar. Aber auch das ist noch ein toller Preis für die Branche. Vor einem Jahr notierte Öl noch bei 60 Dollar.

Herr Wheaton, vielen Dank für das Gespräch.

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