Serbischer Aktienmarkt nach der Wahl

Serbien sendet durch den Wahlsieg der pro-europäischen Kräfte positive Signale aus. Cyrus Golpayegani, Co-Fondsmanager des QIMCO Balkan Equity, mit einer Analyse des serbischen Aktienmarktes und der wichtigsten Fundamentaldaten der Unternehmen im Gespräch mit e-fundresearch.com. Funds | 13.05.2008 17:30 Uhr
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e-fundresearch.com: "Am vergangenen Wochenende fanden Parlamentswahlen in Serbien statt. Welche Bedeutung hat der Ausgang der Wahlen auf die Wirtschaft, die Unternehmen und die Entwicklung der serbischen Börse?"

Cyrus Golpayegani: "Durch den sehr überraschenden und deutlichen Sieg der pro-europäischen Kräfte des Landes sind bereits sehr klare Signale seitens der Bevölkerung des Landes gesetzt worden, dass die wirtschaftliche Zukunft des Landes im europäischen Verbund gesehen wird. Die unmittelbare Reaktion der internationalen Medien und die stark steigenden Kurse nach den Wahlen sind Belege für die sehr große Erleichterung darüber, dass Serbien sich nicht wie in den 90er Jahren von der internationalen Gemeinschaft abwenden wird. Jedoch muss auch gesagt werden, dass die Anti-EU-Kräfte des Landes nach wie vor über eine Mehrheit im Parlament verfügen. Unabhängig davon ist jedoch allen Beteiligten klar, dass nach Abklang der Wahlen und all der damit verbundenen Rhetorik eine Besinnung auf die real politischen Notwendigkeiten dazu drängen wird, das Land auf Modernisierungskurs zu halten, was auch als eindeutigen Auftrag der Mehrheit nach der erfolgten Wahl angesehen werden kann."

e-fundresearch.com: "Wie wichtig ist für serbische Unternehmen das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA), das mit der EU abgeschlossen wurde?"

Cyrus Golpayegani: "Durch das Abkommen ist weitreichende Hilfestellung seitens der EU sichergestellt. Es ist ein deutliches Signal dafür, dass die EU enge Beziehungen zu Serbien pflegen will und unabhängig von den Friktionen die zwischen der EU und Serbien bezüglich einer Anerkennung des Kosovo bestehen, soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit durch ein solches Abkommen erleichtert und forciert werden. Die Unterstützung beginnt schon mit erleichterten Reisebestimmungen und endet mit direkten Finanzhilfen der EU. Das SAA ist ein wesentlicher Schritt für Länder, die dann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit binnen einiger Jahre mit einer Aufnahme in die EU rechnen können: Natürlich bedeutet jedwede finanzielle Unterstützung, vor allem im Bereich Infrastruktur, dass die Wirtschaft sehr rasch und effizient einen erheblichen Modernisierungsschub erfahren kann. Es gibt mannigfaltige Beispiele in Osteuropa, wo dieser positive Effekt in der Vergangenheit sehr augenscheinlich und eindrucksvoll demonstriert werden konnte."

e-fundresearch.com: "Welche Fundamentaldaten sind besonders sensitiv bezüglich möglicher politischer Änderungen." 

Cyrus Golpayegani: "Die Fundamentaldaten per se stehen nicht so sehr im Vordergrund als primär die Wachstumsperspektiven der meisten Unternehmen. Kennzeichnend für die Situation der meisten Unternehmen in Serbien sind Bilanzen die nominell klein sind und zu einem überwiegenden Teil durch teures Eigenkapital finanziert sind. Um die Bilanzstrukturen weiterhin optimieren zu können, und den Unternehmen die nötigen finanziellen Kapazitäten für weiteres Wachstum zur Verfügung stellen zu können, muss vor allem eine offene und transparente Wirtschaftspolitik die dafür nötigen Voraussetzungen schaffen. Der fatalste Fehler wäre ein politisch motivierter Rückzug in eine isolationistische Haltung, eine erhebliche Verschleppung der nötigen Reformen und vor allem eine erhebliche Verzögerung des EU Beitritts. Die negativen Auswirkungen auf Auslandsinvestitionen sowie der Ausfall der notwendigen EU-Förderungen würden das Wachstum der serbischen Unternehmen sicherlich empfindlich treffen. Diese Gefahr schätzen wir aber aufgrund des Wahlausgangs als sehr gering ein."

e-fundresearch.com: "Die Balkan Aktienmärkte hatten sich in den letzten Wochen bereits stabilisiert. Wie schätzen Sie aus heutiger Sicht die Chancen/Risikoverteilung ein? Wie gross ist das Potenzial nach oben und unten im Vergleich für die nächsten 12 Monate?"

Cyrus Golpayegani: "Das Risiko liegt primär in den außenpolitischen Unsicherheitsfaktoren die vor allem die weitere Politik Serbiens bezüglich eines möglichen EU Beitritts betreffen. Der Aktienmarkt befindet sich schon seit über einem Jahr in einer rasanten Talfahrt (nach einer sehr starken Performance in den beiden Jahren zuvor) und hat von ihren Höchstständen im letzten Mai mehr als 50% eingebüßt. Fundamental gesehen befinden sich die Unternehmen wieder auf einem sehr attraktiven Niveau. Die Investoren und vor allem ausländische institutionelle Investoren haben natürlich durch das allgemein sehr negative Marktumfeld für Aktien, bereits ihr Engagement am Balkan deutlich reduziert. Unserer Meinung nach ergibt sich daraus nur noch ein limitiertes Risiko für den Aktienmarkt in Serbien, weil dieser Markt sich kaum mehr in der Allokation der ausländischen Investoren und Fondsmanager wiederfindet. Die meisten negativen Faktoren sind bereits eingepreist, was das Abwärtsrisiko weiter überschaubar hält. Das Gewinnwachstum der Unternehmen ist nach wie vor als sehr robust einzustufen, die Märkte sind bereits überverkauft, die Bilanzen der meisten Unternehmen sind sehr solide, das Finanzsystem des Landes steht auf sehr stabilen Beinen, da das Engagement der Banken des Landes im Kerngeschäft (Kreditgeschäft) liegt und z. B. keine „Sub-Prime-Bomben“ zu erwarten sind. Die Reaktion auf das Wahlergebnis stellt unserer Meinung nach lediglich den Beginn eines Aufholprozesses dar, der durch gute Fundamentaldaten getragen wird, wenngleich die lokalen Börsen volatil bleiben werden."

e-fundresearch.com: "Die Aktienmärkte am Balkan sind derzeit extrem günstig bewertet. Wo liegen diese Bewertungen gegenüber dem letzten Jahr sowie im Vergleich zu anderen osteuropäischen Märkten und Westeuropa."

Cyrus Golpayegani: "Durch die Halbierung des Indexstandes notieren die meisten Aktien wiederum auf deutlich attraktiveren Niveaus als noch vor einem Jahr: Der serbische Markt handelte noch vor einem Jahr bei Kurs-Gewinn-Verhältnissen die deutlich über 40 waren. Jetzt notieren die Aktien teilweise mit Kurs-Gewinn Verhältnissen unter Zehn und viele Unternehmen notieren unter ihrem Substanzwert. Die Gewinnsteigerungen vor allem im Finanzsektor sind deutlich über der 50% Marke und liegen somit auch deutlich über vergleichbaren Unternehmen in anderen osteuropäischen Ländern oder Westeuropa. In Bosnien zeigt sich ein ähnliches Bild: auch hier haben die Märkte deutlich mehr als 50 % von den Höchstständen eingebüßt und auch hier notieren die Unternehmen in der Regel bereits deutlich unter deren Buchwert. Die KGVs sind hier noch höher, da sich die Unternehmen noch mitten im Restrukturierungszyklus befinden. Nominell gesehen sind die Märkte in Ost- und Westeuropa auf vergleichbarem Niveau (nach der auf breiter Front stattgefundenen Korrektur) jedoch bleibt das Gewinnwachstum der serbischen Unternehmen höher (begünstigt durch Basiseffekte) und die Gewinnprognosen stabiler (auf Grund der primär domestischen Ausrichtung der Unternehmen)."

e-fundresearch.com: "Wie schätzen Sie das Gewinnwachstum in den Balkan Aktienmärkten ein?"

Cyrus Golpayegani: "Das Gewinnwachstum an den Balkan Aktienmärkten ist aufgrund der differenzierten Struktur und des differenzierten Entwicklungsstandes der einzelnen Staaten unterschiedlich. So besteht in Serbien der Belex 15 Index zu 70% aus Banken, die in Emerging Markets generell zu den aussichtsreichsten Wachstumsunternehmen zählen. Serbische Unternehmen erwarten ein durchschnittliches Gewinnwachstum für 2008 von etwa 40 %. Slowenien hingegen ist unter den südosteuropäischen Märkten am weitesten entwickelt und weist nur mehr ein Gewinnwachstum von durchschnittlich 15% aus. In Kroatien erwarten wir für die Unternehmen 2008 ein Gewinnwachstum zwischen 20 % - 25 %. Die sich nun abzeichnende Beschleunigung der EU-Aufnahme Kroatiens könnte sich aber durchaus stark positiv auf die Gewinnsituation der Unternehmen auswirken."

e-fundresearch.com: "Wie hat sich die Liqudität entwickelt? Erwarten Sie nach den Wahlen in Serbien wieder steigende Umsätze?"

Cyrus Golpayegani: "Die Liquidität hat in den letzten Monaten, wie auch in anderen Märkten, signifikant abgenommen. Das lag sicherlich an der generellen Risikoaversion vieler Anleger aber auch und vor allem an der ungünstigen politischen Situation in Serbien. Was jedoch bereits seit einigen Wochen deutlich erkennbar war, ist, dass die Kursbewegungen kaum von Liquidität begleitet waren. Diese "Austrocknung" des Marktes ist an sich ein gutes Zeichen, vor allem dann, wenn eine Bodenbildung stattfindet. Dies war sowohl in Bosnien als auch in Serbien der Fall. In diesen Phasen kann man häufig beobachten, dass sich sich die fundamentalen Bewertungen von den Kursbewegungen am Aktienmarkt mitunter dramatisch abkoppeln. Exakt dieses Szenario ist in Serbien eingetreten: Gute Unternehmensergebnisse, starkes Gewinnwachstum überlagert von politischer Unsicherheit hat zu fallenden Kursen und abnehmender Liquidität geführt. Wie man bereits bei der gestrigen Kursrally sehen konnte, kehrt die Liquidität auch recht rasch an die Märkte zurück und führt bei ausgetrockneten Märkten zu rasanten Kursanstiegen. Ob diese Entwicklung nachhaltig ist, wird man in den nächsten Wochen beurteilen können. Faktum ist, dass dieser heftige Kursanstieg nur einen kleinen Teil des Potenzials der serbischen Börse widerspiegelt. Wie rasch dieser Aufholprozess von statten gehen wird, hängt von der politischen Lage ab."

e-fundresearch.com: "Wo ergeben sich aus Ihrer Sicht interessante Chancen? Welche Sektoren oder Gruppen von Unternehmen bevorzugen Sie aktuell?"

Cyrus Golpayegani: "Der Qimco Balkan Equity investiert bevorzugt in, regional gesehen, große, liquide Aktien. Unsere Favoriten sind Unternehmen in jenen Sektoren, die im wirtschaftlichen Aufholprozess von steigenden Einkommen und mit fortschreitender Konvergenz von sinkenden Zinsen profitieren – vor allem Telekommunikationsunternehmen sowie Konsum- und Finanzwerte. Weiters zählen wir auf Sektoren die verstärkt von EU-Infrastrukturbeihilfen zur Ankurbelung der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung profitieren werden. Dazu gehören der Energiesektor und vor allem Industrieunternehmen aus dem Bausektor. Aufgrund der jüngsten politischen Querelen in Serbien, befinden sich serbische Unternehmen auf einem äußerst günstigen Bewertungsniveau. Wir erwarten, dass sich diese günstigen Bewertungen in Form eines positiven Renditebeitrags spürbar bemerkbar machen."

e-fundresearch.com: "Vielen Dank für das Gespräch."

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